Dagobert Cahannes: «Speakern ist ein Privileg»
Er ist die Stimme der Lauberhornrennen: Der 67-jährige Dagobert Cahannes ist in seiner Speakerkabine immer auf Draht.
«Dago, äs isch glii 20 ab, gäll!». Dago unterbricht seinen Redeschwall, aktiviert per Knopfdruck das Mikrofon, und schon schallt seine markante Stimme über die Slalompiste und im ganzen Zielraum: «Noch zwanzig Sekunden, dauert die Besichtigung, twenty seconds, fünfzehn sind es jetzt noch.» Mikrofon aus.
Wo Dagobert Cahannes arbeitet, geht es nicht um Minuten, sondern um Sekunden: Punktgenau muss der Speaker bereit sein. Verpasst ein Weltcupfahrer das Ende der Besichtigungszeit, kann ihn dies eine Busse von 999 Franken kosten. Der Speaker ist also keineswegs nur für die Unterhaltung da, sondern hat auch eine Informationspflicht.
Der Container auf dem Dach
Seit über 30 Jahren ist Cahannes im Skiweltcup dabei. Seit ungefähr 19 Jahren – ganz genau weiss er das selber nicht – bedient er das Mikrofon an den Lauberhornrennen. Als er hier anfing, stand noch das alte Zielhaus. Cahannes sass in einem Container auf dem Dach.
Die jungen Tontechniker von damals waren zwar mit Herzblut dabei, aber eben keine Profis – und hatten dem Speaker einen grossen Lautsprecher quasi direkt vor die Nase platziert, sodass sich Cahannes stundenlang selber anbrüllte. Hinzu kam die Fliegenplage, die sich während der Sommermonate im Container eingenistet hatte. «Unerträglich war das», sagt er und schmunzelt.
Heute sitzt der 67-jährige in einer Kabine des modernen Zielhauses der SRG. Übers Ohr hat er die Rennjury zugeschaltet, hinter ihm sitzt ein Regisseur, daneben ein DJ, der für die passende Musik zuständig ist. Und seine persönliche Assistentin Sandra Isler reicht ihm die Karteikärtchen.
Diese Kärtchen sind Dago heilig. Zwar liefert ihm längst ein Computer die wichtigsten Daten und Erfolge der Rennfahrer. «Aber wenn die Technik versagt, was dann?» Lieber setzt Dago auf das Handgeschriebene. Die Informationskarten für jeden Fahrer schreibt Cahannes jedes Jahr neu. So will er auch sein Gedächtnis fit halten.
«Ich kann ja nicht die beste Zwischenzeit am Hundschopf verkünden, wenn der Fahrer für die Augen der Zuschauer noch nicht mal gestartet ist.»
Ein Speaker am Lauberhornrennen muss wissen, wie das Fernsehen funktioniert. Hier kommt Cahannes seine Vergangenheit als freischaffender SRF-Reporter zu Gute. «Die erste Liveeinschaltung gibt es erst am Haneggschuss. Ich kann ja nicht die beste Zwischenzeit am Hundschopf verkünden, wenn der Fahrer für die Augen der Zuschauer noch nicht mal gestartet ist.»
Die Zusammenarbeit mit Rennjury, Regie, dem Reporter im Zielraum und weiteren Playern sei für ihn eine hochkomplexe Angelegenheit. «Da kann ich nicht bis um 5 Uhr am Morgen im ‹Hasenstall› hängen bleiben.»
Dagobert Cahannes ist bekannt für seine Lockerheit und Scherze. In einer Sache meint er es aber bitterernst: Seiner Berufsauffassung. Er trinkt keinen Alkohol und ist um 22 Uhr im Bett. «Da gibt es keine Diskussionen. Es ist meine Schuldigkeit, einen anständigen Job zu machen.» Speakern sei für ihn ein Privileg. «Da braucht es grossen Respekt gegenüber den Athleten, dem Staff und den Helfern.» Am Morgen gelten seine ersten Worte an die Öffentlichkeit immer den Helfern am Lauberhorn.
Neun eidgenössische Schwingfeste und zwei Ski-Weltmeisterschaften (2003 in St. Moritz und 2011 in Garmisch-Partenkirchen) sind in seinem Palmarès. Und wie lange bleibt er den Lauberhornrennen noch erhalten? Da lässt sich Cahannes nicht zu tief in die Karten blicken. «Allzu lange mache ich es nicht mehr.» Das Organisationskomitee wird den Grenchner wohl nur ungern ziehen lassen.
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