CVPler treten am häufigsten frühzeitig ab
Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard sind nicht die Einzigen: Die meisten Bundesräte beenden die Legislatur nicht.
Am 31. Dezember 2018 ist für Doris Leuthard nach zwölf Jahren im Amt Schluss. Im Vergleich kann sie auf eine überdurchschnittlich lange Amtszeit zurückblicken. Kollege Johann Schneider-Ammann, der seinen Rücktritt am Dienstag bekannt gegeben hatte, wird den Rat bereits nach acht Jahren verlassen. Er liegt damit im Amtszeitvergleich im Mittel.
Die letzten vor dem Berner Freisinnigen zurückgetretenen Regierungsmitglieder, Didier Burkhalter (FDP) und Eveline Widmer-Schlumpf (BDP), waren ebenfalls acht Jahre im Amt. Micheline Calmy-Rey (SP) blieb ein Jahr länger.
Die Liste der Bundesräte mit der längsten Amtsdauer wird von Karl Schenk angeführt. Der Berner sass als Vertreter der liberal-radikalen Fraktion (der heutigen FDP) 31 Jahre lang im Bundesrat. Auch die langen Amtszeiten des zweitplatzierten Adolf Deucher (1883–1912, FDP) und des drittplatzierten Giuseppe Motta (1912–1940, CVP) liegen weit zurück. Philipp Etter (bis 1959, CVP) brachte es auf 25 Amtsjahre, was ihm den Spitznamen «Der Ewige» verschaffte. Die kürzeste Amtszeit hatte bisher Louis Perrier (FDP), der 1913 nur 14 Monate nach seiner Wahl verstarb.
In Einzelfällen gab es auch Rücktritte aus gesundheitlichen Gründen. Dies war beispielsweise bei CVP-Bundesrat Alphons Egli der Fall, der sein Amt 1986 nach bloss vier Jahren im Amt zurückgeben musste. Bei Bundesrat Jean Bourgknecht (CVP) mussten 1962 gar seine Angehörigen den Rücktritt erklären, da er nach einem Schlaganfall nicht mehr schreiben oder sprechen konnte.
Neben Krankheiten waren auch verpasste Wiederwahlen ein möglicher Grund für eine kurze Amtszeit: So wurde etwa Christoph Blocher (SVP) nach nur vier Jahren im Amt 2007 abgewählt, Ruth Metzler (CVP) ereilte vier Jahre zuvor dasselbe Schicksal. In anderen Fällen folgte der Rücktritt auf politischen Druck. So musste etwa FDP-Bundesrätin Elisabeth Kopp Mitte Januar 1989 zurücktreten, da ihr Amtsgeheimnisverletzung vorgeworfen wurde. Sie war im Oktober 1984 als erste Frau in die Landesregierung gewählt worden.
In hundert Jahren sind bloss drei von zehn Bundesräten auf das Legislaturende zurückgetreten.
Georg Lutz, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Lausanne, sieht eine mögliche Begründung für die zuletzt gängigen acht Jahre Regierungszeit darin, dass viele nach diesem Zeitraum eine erste Bilanz ziehen würden: «Was man in acht Jahren nicht erreicht hat, erreicht man auch danach nicht mehr.» Auch sei das Amt ein «Verschleissjob», für welchen es schwierig sei, über einen längeren Zeitraum die Energie aufzubringen. Es lasse sich zudem beobachten, dass viele Bundesräte als letztes Ziel das Präsidialjahr ins Auge fassen und anschliessend abtreten würden.
Zwar versprechen die Bundesräte jeweilen, bis zum Ende der Legislatur zu bleiben, gehen dann aber doch früher. So auch Doris Leuthard: Ihre Legislatur wäre erst 2019 zu Ende gegangen. Gemäss einer Auswertung der Wissenschaftsplattform De Facto, die im Zusammenhang mit Johann Schneider-Ammanns Rücktritt entstanden ist, ist sie mit diesem Schritt nicht alleine: So sind in den letzten hundert Jahren durchschnittlich bloss drei von zehn Bundesräten auf das Legislaturende zurückgetreten.
Dies habe auch damit zu tun, dass es faktisch keine Regierungswahl gibt. So werden die Bundesräte zwar alle vier Jahre vom Parlament gewählt, doch sind seit 1919 – mit Ausnahme von Metzler und Blocher – sämtliche Bundesräte im ersten Wahlgang wiedergewählt worden. Bei Gesamterneuerungswahlen erhalten die Bisherigen im ersten Wahlgang durchschnittlich über 70 Prozent der Stimmen.
In den meisten Fällen sei ein Bundesrat völlig frei, wann er seinen Rücktritt gebe, sagt Georg Lutz. Ein Vorteil von einem Einzelabgang während der Legislatur sei aber, dass man nochmals allein positiv im Rampenlicht stehe: «Ein Bundesrat wird nie mehr gelobt, als bevor er kommt oder wenn er geht», sagt Lutz.
Zwischen den Parteien gibt es Unterschiede bezüglich des Rücktrittszeitpunkts. Während bei der SP und der SVP nur jeder zweite Rücktritt während der Legislatur stattfindet, sind es bei der FDP und CVP vier von fünf.
Georg Lutz glaubt, dass den Parteien ein Rücktritt während der Legislatur entgegenkommt: «Damit gelingt es ihnen, mit den zur Wahl vorgeschlagenen Personen und somit mit der Partei im Rampenlicht zu stehen.» Die Parteien würden diese Medienaufmerksamkeit auch zunehmend nutzen. Dies habe sich beispielsweise bei der Wahl um den Ersatz von Didier Burkhalter gezeigt. Die FDP präsentierte ihre Kandidaten in einer PR-Aktion im ganzen Land: «Dies, obwohl das Volk bei der Wahl gar nichts zu sagen hat», sagt Lutz. Das sei «leicht absurd».
Weiter sei es für Parteien angenehmer, wenn nur ein vakanter Sitz besteht: «Dies macht die Nachfolgeregelung berechenbarer», sagt Lutz. Im Zuge von Bundesratswahlen würden jeweils unterschiedlichste Kriterien wie Geschlecht, Sprache und Herkunftsort diskutiert. «Eine Einzelvakanz vereinfacht es den Parteien, ihre Kandidaten durch diesen Katalog zu navigieren.» Wenn mehrere Vakanzen bestehen, seien die Parteien gezwungen, sich untereinander zu koordinieren.
Alter der abtretenden Bundesräte
Die 55-jährige Leuthard verlässt die Regierung neun Jahre vor dem ordentlichen Rentenalter, im Gegensatz zu ihrem 66-jährigen Kollegen Schneider-Ammann, der seinen Sessel nach dem Erreichen des Rentenalters räumt. Schneider-Ammann kommt damit jedoch nicht an seine Vorgänger heran: Adolf Deucher (FDP) starb 81-jährig im Amt. Ruth Metzler (CVP) hingegen war nur einige Monate vor ihrem 40. Geburtstag abgewählt worden. Hans-Rudolf Merz (FDP) ging mit 68 Jahren. Moritz Leuenberger (SP) entschied sich 64-jährig für den Rücktritt.
Mit Material der SDA.Dieser Artikel wurde im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Johann Schneider-Ammann publiziert und nach dem Rücktritt von Doris Leuthard angepasst.
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