«Creepy Joe»: Plötzlich nennen sie Joe Biden schmierig
Der Ex-US-Vize soll Frauen zu nahe gekommen sein. Seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2020 wackelt.

Joe Biden hat seine Präsidentschaftskandidatur noch nicht einmal offiziell bekannt gegeben, da steckt er bereits in ernsten Problemen. Die «New York Times» spricht von einer «schnell wachsenden Krise». In anderen Medien dominiert ein Adjektiv die Berichterstattung über Biden, das ein Politiker nicht neben seinem Namen lesen will: «creepy»; übersetzt: unheimlich bis schmierig.
Es geht um Bidens – wie soll man es sagen? – gelegentlich von zu viel körperlicher Nähe geprägten Umgang mit Frauen. Niemand beschuldigt den 76-Jährigen bisher einer sexuellen Belästigung oder gar eines Übergriffs. Doch die Begegnung mit Biden, die Lucy Flores am Wochenende in einem Artikel beschrieb, kommt diesem Vorwurf schon recht nahe. Flores kandidierte 2014 in Nevada für die Demokraten für ein lokales Amt, und Biden kam zu Besuch, um sie zu unterstützen. Bei einer Gelegenheit, so Flores, habe der damalige Vizepräsident sich ihr von hinten genähert, an ihrem Haar gerochen und sie auf den Hinterkopf geküsst. Sie habe sich nicht regelrecht bedrängt gefühlt, aber Biden habe doch eindeutig eine Grenze überschritten.
Überall tauchten Bilder auf. Manchen Frauen war ihr Unbehagen auf den Bildern klar anzusehen.
Daraufhin tauchten überall Bilder auf, die Biden mit verschiedenen Frauen zeigten. Und immer schien der Körperkontakt etwas zu eng zu sein, sahen die Umarmungen, Berührungen und Küsschen etwas zu intim aus, waren die Hände von Biden nicht dort, wo sie hingehörten. Manchen Frauen war ihr Unbehagen auf den Bildern klar anzusehen.
Nun ist Joe Biden für seinen sehr physischen Stil im Umgang mit Menschen bekannt. Männern legt er gern den Arm um die Schultern. Das sei, so schrieb die «Washington Post» am Montag – vielleicht mit einem etwas zu bewundernden Unterton –, «ein wichtiger Teil seiner warmen und fröhlichen Persönlichkeit», die Biden seit vier Jahrzehnten zu einem erfolgreichen Politiker mache. In Zeiten von #MeToo taugt der Hinweis, ein Mann sei halt ein Charmeur, allerdings nicht mehr als Verteidigung. Das, was Lucy Flores beschreibt, hat durchaus das Zeug, Bidens Karriere zu beenden.
Seine Kandidatur ist kein Selbstläufer
Entsprechend ernst nehmen er und sein Team die Sache. Biden hat inzwischen zwei Erklärungen herausgegeben, in denen er zumindest bestreitet, sich mit Absicht unangemessen verhalten zu haben. Auch eine Freundin Bidens, Stephanie Carter, meldete sich zu Wort, vermutlich mit Wissen von Bidens Leuten, wenn nicht auf deren Bitte hin.

Stephanie Carter ist die Frau des früheren Verteidigungsministers Ashton Carter. Es gibt ein Foto, das während dessen Vereidigung aufgenommen wurde. Darauf ist zu sehen, wie Biden Frau Carter von hinten die Hände auf die Schultern legt und sich zu ihrem Ohr hinunterbeugt. Auch dieses Foto fand sich in vielen Creepy-Biden-Bildstrecken im Internet. Stephanie Carter allerdings verteidigte Biden ausdrücklich. Es sei kein unangemessener Moment gewesen, sondern eine nette Geste unter guten Freunden.
Der Grapscher soll doch Trump sein
Unabhängig davon, wie die Sache mit Lucy Flores weitergeht, zeigt der Vorfall, dass Joe Bidens Bewerbung für die Präsidentschaft eben doch kein Selbstläufer ist, wie er es vielleicht gedacht hat. Derzeit führt Biden, der seine Kandidatur in diesem Monat offiziell erklären will, zwar in vielen Umfragen das Feld der demokratischen Bewerber an. Doch eigentlich hält sich der Appetit der Parteibasis, die den Kandidaten nächstes Jahr in den Vorwahlen bestimmt, auf einen älteren, weissen, etwas konservativen Herrn in Grenzen. Entweder jünger, nicht weiss, linker oder kein Mann – eines dieser Kriterien sollte der Mensch, der für die Demokraten gegen Donald Trump antritt, nach Ansicht vieler Parteianhänger schon erfüllen.
Zudem wird Biden vorgehalten, er habe 1991 als Senator die Vorwürfe sexueller Belästigung nicht ernst genommen, die Anita Hill gegen den Richterkandidaten Clarence Thomas erhoben hatte. Biden kennt diese Schwachstellen in seiner Biografie und soll darum überlegt haben, die schwarze Politikerin Stacey Abrams bereits jetzt zu seiner Vizekandidatin zu machen. Solche Planspiele kann Biden sich jedoch sparen, wenn er in den Ruf gerät, ein Grapscher zu sein. Dieses Etikett wollen die Demokraten im Wahlkampf Donald Trump anheften.
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