Chuchichäschtli sucht Glyzinienfrisur
Geben und nehmen wird bei der Zytbörse Thun grossgeschrieben. Derzeit zählt der gemeinnützige Verein 266 Mitglieder, von denen rund 40 Prozent aktiv Zeit tauschen.

Verena liebt es, Textilien zu reparieren, Fritz hilft, wenn der Computer nicht will, und Walter bietet als pensionierter Arzt Gesundheitsberatungen an. Die Zytbörse Thun bringt Menschen zusammen, die sich gegenseitig tatkräftig unterstützen.
Der Vorstand um Präsident Bernhard Schädeli ist sich sicher, dass alle Menschen Fähigkeiten haben, die andern nützen können. «Mich regt es auf, wenn ein neues Mitglied sagt; ‹Ich war nur Hausfrau›, oder: ‹Ich kann nichts Besonderes›», verrät Schädeli. Im Gespräch stelle sich dann heraus, dass wahre Koch-, Bügelkünste oder jahrzehntelange Berufserfahrung als Automechaniker vorhanden seien.
Edith Hutzli ist seit Anbeginn des Vereins in Trägerschaft von Pro Senectute, Pro Juventute, Römisch-Katholischer Kirchgemeinde und Reformierter Gesamtkirche Thun dabei. «Im Jahr 1999 las ich einen Artikel über die neu gegründete Zytbörse im ‹Thuner Tagblatt› und war sofort Feuer und Flamme», erinnert sie sich.
Mitglieder der Zytbörse bieten ihre mannigfaltigen Fähigkeiten und Talente andern gegen Zeitgutschriften an. Anders herum profitieren sie von den Angeboten anderer gegen entsprechende Zeitbelastungen. Lediglich Spesen werden vergütet. Die Arbeitseinsätze werden mit Stunden vergütet.
Angebote und Nachfragen werden kostenlos im Internet auf der Website der Zytbörse veröffentlicht. «Rund 30 Mitglieder verfügen über kein Internet», führt Präsident Schädeli aus. «Diese bekommen von uns die ‹Marktzeitung› per Post, und die Onlineinserate werden von sogenannten Brokern für sie ins Netz gestellt.»
Die Tauschenden vereinbaren den Zeitraum und verbuchen die Stunden auf der Website selbst. Für die Mitglieder ohne Internet übernimmt der Verein die Stundenbewegungen. Dabei müssen Tauschaktionen nicht gegenseitig erfolgen, denn die Mitglieder handeln ihre Dienstleistungen je nach Bedürfnissen untereinander aus.
Sprachkurs bis Hütedienst
Gesundheitsangebote wie Klangschalen- oder Fussreflexzonenmassage stehen im Moment hoch im Kurs. Der Verein setzt sich zu 80 Prozent aus Frauen und zu 20 Prozent aus Männern zusammen. Letztere bieten besonders gerne Reparaturdienste in Haus und Garten an. Doch das Angebot reicht vom Sprachkurs über Einkaufshilfe und Computerberatung bis hin zum Kinderhüten.
An jedem ersten Montag im Monat von 18 bis 20 Uhr tagt der Zytbörse-Stammtisch im Thuner Restaurant Rathaus. So auch Anfang April, an dem knapp 30 Zytbörseler unter der Leitung von Edith Hutzli in familiärer Atmosphäre zusammensassen. «Das persönliche Gespräch ist uns sehr wichtig», hebt Bernhard Schädeli hervor, «denn dort entstehen Tauschgeschäfte, auf die man in einem Inserat nicht kommen würde.»
So entstand beispielsweise ein Deal, in dem er einen Einbrecher spielen sollte, um die Bell-Tauglichkeit des neuen Hundes eines Ehepaars zu testen. Der Hund erwies sich als eher schwanzwedeltauglich. Ein Zettel wird am Stammtisch rumgereicht. Jemand sucht einen versierten Gartenkenner, der eine Glyzinie fachgerecht schneiden kann. «Ich hab ein krankes Chuchichäschtli-Karussell. Es schliesst nicht richtig», erzählt Ursula. Als gelernter Schreiner bietet Gerhard sofort an sich das anzuschauen.
Eine herzliche Atmosphäre, die weit über das pure Aushandeln von Tauschgeschäften hinausgeht, kennzeichnet die Zytbörse, in der jeder willkommen ist, der sich aktiv einbringt und auch Anschluss sucht.
Neben dem Stammtisch und dem Kaffeehöck an jedem dritten Mittwoch im Monat ab 10 Uhr im Restaurant Rathaus steht am 20. April eine Frühlingswanderung zur Kirschblütenpracht ins Fricktal an, und am 31. Mai ist ein Besuch der Vogelwarte Sempach geplant.
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