«Chifle» für den Erfolg
Olympia machte Jenny Perret und Martin Rios über Nacht berühmt. Doch der Hype ging rasch vorbei. Ab morgen spielen sie am Mixed-Doppel-Turnier in Bern.

Eine Gruppe Kinder hört aufmerksam den Worten des Leiters zu. Eine Lektion Curling steht auf dem Programm – es gibt für Schüler gewiss Schlimmeres an einem Dienstagmorgen. Nur zwei Bahnen neben den noch unsicheren Laien spielen in der CBA in Bern zwei Weltmeister und Olympiamedaillen-Gewinner: Jenny Perret und Martin Rios.
Doch sie werden nicht erkannt. Das ist das Los von Randsportlern. Wobei Perret und Rios betonen, dass sie damit ganz gut leben können. «Ich muss nicht in der Öffentlichkeit stehen», sagt sie, derweil er ergänzt: «Und wenn, dann nur im Zusammenhang mit Sport.»
Knapp zwei Jahre ist es nun her, da waren der Glarner und die Seeländerin in aller Munde. An den Olympischen Spielen in Pyeongchang holte das Duo in der erstmals ausgetragenen Disziplin Mixed-Doppel-Curling die Silbermedaille. Das allerdings war nicht der Grund für ihre Popularität im Februar 2018. Perret und Rios zankten sich gewissermassen in die Herzen der Schweizer Sportfans.
Auf dem Eis kritisierten sie einander zuweilen heftig und mit träfen Sprüchen – doch sie hatten damit Erfolg. Und weil die Curler mit einem Mikrofon verbunden sind, konnten die TV-Zuschauer ungefiltert mithören. Es ging nicht lange, da wurden Perret und Rios mit dem Ehepaar Chifler aus der ehemaligen TV-Serie «Traumpaar» verglichen.
Eine einmalige Sache
Befanden sich die beiden während Olympia noch in einer Art Filterblase, wurde Rios – der früher als Perret zurückkehrte – in der Schweiz rasch bewusst, was sie ausgelöst hatten. Beinahe täglich sei er angesprochen oder, etwas seltener, um ein Selfie gebeten worden. Das Interesse, ja der Hype um die «Chiflers», er liess allerdings bald einmal nach.
Sie hatten bereits vor ihrer Abreise an die Olympischen Spiele geahnt, dass sie etwas auslösen würden, sagt Perret. «Wir waren darauf vorbereitet.» Denn für seinen rauen Umgangston war das Duo in der Curlingszene längst bekannt, wenn nicht berüchtigt gewesen. «Rios, wir müssen uns zusammennehmen», hatte Perret ihrem Partner vor ihrem grössten Auftritt noch gesagt.
Sie sollten dieses Vorhaben bald über Bord werfen. Weil beide die Emotionen brauchen, sie ihnen als Antrieb dienen. «Es geht um Erfolg. Und Erfolg heisst nicht, dass man immer nett ist miteinander, sich immer in der Komfortzone bewegt», sagt Rios.
Wobei er sich bewusst sei, dass diese Art von Kommunikation nur zwischen ihm und Perret funktioniere. «Ich mit einer anderen Spielerin, sie mit einem anderen Spieler – das würde auf diese Weise nicht gehen, bei uns hat es sich so entwickelt.» Weil sie sich seit Jahren kennen und weil sie einst ein Liebespaar waren.
Man fragt sich, was ein findiger Manager nach Olympia aus dieser Konstellation hätte herausholen können. Ob nicht ein lukrativer Sponsoringvertrag mit einem «sauglatten» Werbespot möglich gewesen wäre. Doch abgesehen von einem Engagement von Perrets Arbeitgeber hat sich diesbezüglich wenig verändert –weil sie es so wollten.
Zwar hat sie ihr Pensum als Büroangestellte und er seines als Diplomtrainer auf 60 Prozent reduzieren können, um mehr Zeit für den Sport zu haben. Mehr aber liegt nicht drin, weil die Nische Mixed-Doppel in der Randsportart Curling nur wenig Profit garantiert.
An den Erfolg anknüpfen
2022 wollen Perret und Rios Olympiagold gewinnen, diesem Ziel ordnen sie alles unter. In der Saisonvorbereitung habe er sich wieder einmal ein paar Videos von Pyeongchang 2018 angeschaut, erzählt Rios, «zur Motivation». Letzte Saison waren sie zwar Weltranglistenerste – aber verpassten eben auch die WM, weil sie die Qualifikation (den Schweizer-Meister-Titel) dafür nicht schafften.
«Am Anfang war das sehr ärgerlich. Doch im Nachhinein war es eine WM, die man verpassen durfte», sagt Perret. Denn Punkte für die Olympiaqualifikation können erst mit der Teilnahme an den kommenden Titelkämpfen gesammelt werden.
Am Wochenende haben Perret/Rios in Sotschi (RUS) nun ihr erstes Turnier in dieser Saison gewonnen. Es versteht sich von selbst, wollen sie ab morgen am internationalen Mixed-Doppel-Turnier in Bern dort anknüpfen. Zweimal standen sie hier bereits im Final, triumphieren aber konnten sie noch nie.
«Wenn einer besser ist, ist das halt so. Aber es ist wichtig, dass wir gut curlen», sagt Rios. «Das ist, was wir beeinflussen können.» Mit welchen Mitteln – das wissen sie am besten.
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