Bundesrat geht in KlausurCassis schlägt temporäres Exportverbot für Waffen vor
Neutralität, Ukraine-Krieg und Verkauf von Waffen und Munition ins Ausland: Über diese Geheimdossiers will sich der Bundesrat am Mittwoch beugen.

Der Bundesrat diskutiert am Mittwoch voraussichtlich über den Ukraine-Krieg und die Neutralität. Dafür führt er im Anschluss an seine reguläre Wochensitzung eigens eine Klausursitzung durch, wie mehrere bundesratsnahe Personen bestätigen.
Zur Sprache kommt dabei auch der Export von Schweizer Kriegsmaterial. Cassis schlägt offenbar ein Moratorium für sämtliche Schweizer Munitions- und Waffenexporte vor. Damit soll der Export von Schweizer Kriegsmaterial vorübergehend ausgesetzt werden – nicht nur für Waffen, die an die kriegführenden Staaten gehen. Das ist bei gewöhnlich gut informierten bundesratsnahen Kreisen zu erfahren. Wie lange dieses temporäre Exportverbot nach Cassis’ Ansicht gelten soll, ist unbekannt.
Wirtschaftsminister Parmelin ist dagegen
Cassis begründet seinen Vorschlag dem Vernehmen nach mit der unübersichtlichen Lage bei den Waffenlieferungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt. Das heisst: Er befürchtet, dass die Waffen über Umwege am Ende doch in der Ukraine landen könnten.
Dass mit Cassis ausgerechnet ein Bundesratsmitglied aus der Wirtschaftspartei FDP Schweizer Waffenexporte sistieren will, ist auch parteipolitisch brisant. Das Departement von Guy Parmelin, hauptsächlich zuständig für die Bewilligung von Waffenausfuhren, hat für die morgige Klausursitzung eine Informationsnotiz mit dem Titel «Kriegsmaterialexporte nach Europa unter Berücksichtigung der Neutralität» verfasst.
«Einem Aggressor in die Hände zu spielen, ist nicht neutral.»
Derzeit funktioniert die Regelung wie folgt: Deutschland kaufte vor Jahren beim Schweizer Rüstungskonzern Ruag Munition ein. Diese findet gemäss Endverbraucher-Erklärung in der deutschen Bundeswehr Verwendung. Falls nun Deutschland einen Teil dieser Munition an die Ukraine liefern möchte, müsste die Schweiz darüber entscheiden, ob Deutschland das darf, weil die Endverbraucher-Erklärung nicht eingehalten würde.
Gemäss unbestätigten Informationen hat Deutschland in den letzten Wochen bereits eine entsprechende Anfrage an die Schweiz gerichtet. Diese sei aus Neutralitätsüberlegungen abgelehnt worden, wie aus Insiderkreisen zu vernehmen ist. Diese Praxis will der Bundesrat im Rahmen seiner Klausursitzung ebenfalls diskutieren. «Einem Aggressor in die Hände zu spielen, ist nicht neutral», sagte Bundespräsident Cassis, als der Bundesrat die Übernahme der Sanktionen an einer Sondersitzung beschlossen hatte. Die Schweiz sei den humanitären Geboten verpflichtet und dürfe nicht zusehen, wie diese mit Füssen getreten würden.
Die SVP will mit einer Volksinitiative auf die neue Neutralitätspolitik des Bundesrats reagieren und darin die Rückkehr zu einer «integralen Neutralität» durchsetzen.
Korrigendum vom 5.4.2022, 19:50 Uhr: Der Artikel basiert auf mündlichen Informationen, wonach Bundespräsident Cassis dem Bundesrat am Mittwoch ein Moratorium für Waffenexporte vorschlagen will. Wir erachten diese Informationen im Nachhinein als zu wenig erhärtet. Der Artikel bleibt aus Transparenzgründen trotzdem publiziert.
Benjamin Gafner ist seit dem Jahr 2000 Bundeshausredaktor. Schwerpunkte seiner Berichterstattung betreffen sicherheits- und migrationspolitische Themen.
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