Camerons Draht zu den einfachen Leuten
Der Niedergang des Boulevardblatts News of the World ist eng mit dem Namen Andy Coulson verknüpft. Nun bringt der ehemalige Chefredaktor nicht nur sich selbst, sondern auch Premier David Cameron in Verruf.

Er war der Senkrechtstarter in Grossbritanniens Medienszene: Vom kleinen Schreiberling beim Provinzblatt Basildon Evening Echo schoss Andy Coulson empor und wurde schon mit 32 Jahren stellvertretender Chefredaktor der «News of the World».
Drei Jahre später schaffte er es als Nachfolger von Rebekah Brooks (damals Wade) ganz an die Spitze des Skandalblattes und schliesslich zum Regierungssprecher. Nichts und niemand schien Coulson aufzuhalten. Sogar Medienpreise heimste er mit Enthüllungen über das Privatleben Prominenter ein.
Sonnyboy des britischen Boulevards
Selbst als der Abhörskandal 2007 an Fahrt gewann und Coulsons Hofberichterstatter Clive Goodman ins Gefängnis musste, war für den Sonnyboy des britischen Boulevards nicht Schluss.
Er musste zwar die Reissleine ziehen und als Journalist gehen, liess sich aber wenig später von David Cameron auffangen. Coulsons Kontakte zur Boulevardpresse ebneten Cameron den Weg in die Downing Street - fast alle bunten Blätter unterstützten seine Konservativen im Wahlkampf.
Camerons Draht zur Basis
Upper-Class-Spross Cameron, für den Fussballfan Coulson so etwas wie der Draht zu den einfachen Leuten war, wollte dem Ex-Reporter nach eigener Aussage eine «zweite Chance» bieten, wie der heutige Premierminister selbst sagt. Das bereue er heute.
Nicht einmal neun Monate lang war Coulson erster Strippenzieher in der Downing Street - dann holte ihn der alte Abhörskandal wieder ein und er musste im Januar erneut seinen Hut nehmen. «Wenn der Sprecher einen Sprecher braucht, ist es Zeit zu gehen», hatte er damals gesagt.
Jetzt sass er vorübergehend sogar in Polizeihaft, weil er verdächtigt wird, von der Bestechung von Polizisten sowie von den illegalen Abhörmethoden seiner Reporter zumindest gewusst zu haben.
Noch im November 2010 hatte der Familienvater Coulson jede Mitwisserschaft entschieden zurückgewiesen. Auch als Zeuge in einem Gerichtsverfahren sagte er, mit «schwarzen Künsten» habe er nichts am Hut.
«Ich akzeptiere nicht, dass es eine Kultur des Abhörens bei der 'News of the World' gegeben haben soll», sagte Coulson laut BBC im Prozess gegen den schottischen Politiker Tommy Sheridan. Dessen Privatleben war durch das Blatt aufgedeckt worden.
Cameron: «Es gab keine Hinweise»
Nach der Verhaftung seines langjährigen Freundes durch Scotland Yard hat am Samstag auch der britische Premierminister David Cameron versucht, sich für die Einstellung Coulsons als Presse- und Regierungssprecher zu rechtfertigen. Er habe keinerlei Hinweise darauf erhalten, dass er Coulson nicht hätte einstellen sollen, sagte Cameron.
Coulson war Camerons Pressesprecher von 2007 bis Januar 2011. Vor seiner Anstellung durch Cameron war der 43-Jährige Chefredaktor der Boulevardzeitung «News of the World» gewesen. Wegen der Verurteilung zweier Mitarbeiter im Zusammenhang mit illegalen Abhöraktionen sah er sich zum Rücktritt gezwungen. Inzwischen wird Coulson verdächtigt, selbst von solchen Aktionen gewusst und Polizeibeamte bestochen zu haben. Insgesamt soll die Zeitung 4000 Telefone belauscht haben.
Mehrere Polizisten sollen der Redaktion gegen Bezahlung Adressen und Nummern geliefert haben.Der Fall soll nun untersucht werden. Das gelte auch für die Rolle der Polizei in der Affäre, so Cameron. Doch dafür, dass er Coulson trotz Bedenken eine Regierungsrolle übertragen hatte, wollte sich der Premier nicht entschuldigen. «Ich hatte mich mit ihm angefreundet», sagte Cameron. «Er ist noch immer mein Freund.»
SDA/mrs
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