Bundesrat schont die Autofahrer
Trotz Milliardeninvestitionen in den Strassenbau wird der Mineralölsteuerzuschlag vorerst nicht aufgestockt. Der Benzinpreis steigt wohl frühestens 2024.

Selbst beim Bund stehen Investitionen von 13,5 Milliarden Franken nicht alle Tage auf dem Programm. Ein Betrag in dieser Grössenordnung soll gemäss gestrigem Entscheid des Bundesrats bis 2030 in den Ausbau des Nationalstrassennetzes fliessen. Knapp 2,3 Milliarden will sich der Bundesrat schon in diesem Jahr vom Parlament genehmigen lassen (für Projekte in den Kantonen Luzern, Waadt und Neuenburg).
Darüber hinaus beantragt er 2,1 Milliarden Franken, um mit dem Bau des zweiten Strassentunnels am Gotthard zu beginnen. Und 1,1 Milliarden Franken sollen in die sogenannten Agglomerationsprogramme fliessen. Hier geht es, immerhin, nicht nur um Strassen. Auch Bahn-, Velo- und Fussgängerprojekte profitieren. Dafür macht die Regierung für Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen in den Jahren 2020 bis 2023 noch einen Bedarf von weiteren 8,1 Milliarden Franken geltend.
Milliarden, Milliarden – und doch hatte Verkehrsministerin Doris Leuthard (CVP) gestern noch eine weitere «gute Nachricht für die Autofahrer» parat, wie sie vor den Medien erklärte. Es geht um die Erhöhung des Benzinpreises, der heftig debattiert worden war, als das Parlament seinerzeit den neuen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) entwarf.
Der NAF, vom Volk im Februar 2017 gutgeheissen, dient zur Finanzierung des Strassenbaus – doch ging der Bundesrat in seinen Berechnungen vor vier Jahren davon aus, dass der Fonds bald in Geldnot geraten würde. Schon 2019, so vermuteten die Fachleute damals, würden die NAF-Reserven unter eine kritische Grenze von 500 Millionen Franken sinken. Für das Loch in der Kasse sollten die Automobilisten aufkommen, indem sie mehr für ihr Benzin bezahlten, konkret: einen höheren Mineralölsteuerzuschlag, der seit Jahrzehnten bei 30 Rappen pro Liter Benzin liegt. Nach zähem Ringen handelte eine bürgerliche Mehrheit im Parlament den Aufschlag auf vier Rappen herunter.
Weniger Geld ausgegeben
Wie sich nun aber zeigt, bleibt den Autofahrern sogar die zusätzliche 4-Rappen-Auslage vorerst erspart. Gemäss neuesten Berechnungen des Bundesamts für Strassen (Astra) wird die kritische 500-Millionen-Grenze im NAF nämlich erst in fünf Jahren unterschritten. Und da man qua Gesetz keine Erhöhung «auf Vorrat» will, steigt der Benzinpreis wohl frühestens 2024. Dabei nannte der Bundesrat noch im letztjährigen Abstimmungskampf die Jahre 2019 oder 2020 als wahrscheinlichste Daten für den Aufschlag.
Wie ist es zu dieser weitreichenden Neubewertung gekommen? Dass überhaupt mit sinkenden Einnahmen kalkuliert wurde und immer noch wird, hat mit dem technischen Fortschritt zu tun: Moderne Autos verbrauchen weniger Benzin, was wiederum die auf dem Treibstoff erhobenen staatlichen Abgaben schmälert. Gemäss Astra-Sprecher Benno Schmid hat sich gegenüber den ursprünglichen Berechnungen aber vor allem ein Parameter geändert: Man war zu pessimistisch, was das Startkapital des NAF betrifft. Von den Vorgängerkassen des NAF erwartete man 2014 Ersteinlagen von insgesamt knapp 1,4 Milliarden Franken. Tatsächlich sind es nun 2,6 Milliarden.
Für diese Beinahe-Verdoppelung gibt es laut Schmid «sehr komplexe» Ursachen. Eine wesentliche Rolle spielten insbesondere Verzögerungen bei schon länger laufenden Strassenbauprojekten. Einige kamen politisch nicht vom Fleck, andere wurden auf juristischem Weg aufgehalten. Im Ergebnis konnten die Strassenkassen weniger Geld investieren als geplant.
Genügend Mittel in der Klasse
Davon profitieren nun die Autofahrer in Form eines unveränderten Benzinpreises. Das wird nicht überall begrüsst, insbesondere nicht im linksökologischen Lager. Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) etwa hielte laut Präsidentin Evi Allemann eine «moderate Erhöhung» für angebracht. Autofahren werde im Gegensatz zum Zugfahren laufend billiger, und die Abgaben auf Benzin seien seit 1993 nicht mehr erhöht worden. Allemann sagt aber auch: «Wir haben immer darauf hingewiesen, dass die Strassenkasse über genügend Mittel verfügt. Es ist also nicht erstaunlich, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Benzinpreiserhöhung zurzeit nicht gegeben sind.»
Ein wenig erinnert die Situation bei den Strassen damit jedenfalls an jene bei der Armee. Hier wie dort zeigt sich das bürgerliche Parlament trotz Spardruck spendabel, spricht Geld, fordert Investitionen. Und am Ende kann gar nicht so viel ausgegeben werden, wie zur Verfügung stünde.
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