Berner SchulenBrückentage bringen manche Eltern in Bedrängnis
Weiterbildungen, Auffahrt, Pfingsten: Die schulfreien Tage häufen sich in diesen Wochen. Muss das sein?

Die meisten Schulen im Kanton Bern schliessen nicht nur am Auffahrtsdonnerstag, sondern machen gleich die Brücke und haben auch am Freitag zu. Das Problem: Der Freitag ist ein offizieller Arbeitstag. Das heisst, viele Eltern müssen ins Büro oder zu ihrem Werkplatz, während die Kinder freihaben.
Sie in eine Tagesschule (auch «Tagesbetreuung» genannt) zu schicken, ist nicht immer möglich – auch diese sind am Freitag in zahlreichen Gemeinden geschlossen. «Das ist der einzige Tag im Jahr, an dem das so ist», sagt die Leiterin des Schulamts der Stadt Bern, Luzia Annen. Man informiere die Eltern jeweils so früh wie möglich darüber.
Manche Familien geniessen es, mit ihren Kindern an einem Wochentag einen Ausflug machen zu können. Bei anderen ist der Unmut gross. «Wenn es nur dieser Brückentag wäre, dann ginge es ja noch», sagt zum Beispiel ein Vater aus der Stadt Bern. «Aber am 10. Mai war schon der Berner Bildungstag, am 1. Mai gab es einen schulfreien Nachmittag, dazu kommen immer wieder mal interne Weiterbildungen der Lehrpersonen – das macht die Organisation des Familienlebens zur noch grösseren Herausforderung, als sie ohnehin schon ist.»
Kinder vor dem Fernseher
Gabriela Heimgartner kennt das Problem. Sie ist Co-Präsidentin des Vereins Schule und Elternhaus Schweiz und Kanton Bern. «Wir erwarten, dass die Gemeinden oder Schulen eine kostenlose Betreuung anbieten, wenn der Unterricht ausfällt», sagt sie.
In der Stadt Bern ist das so – mit der erwähnten Ausnahme des Freitags nach Auffahrt. An Weiterbildungs- und Brückentagen kostet die Tagesbetreuung während der normalen Unterrichtszeiten – also dann, wenn die Kinder und Jugendlichen sonst im Klassenzimmer sitzen würden – nichts. Mit der neuen Verordnung, die seit dem 1. August 2022 gilt, gibt es nun auch am Freitagnachmittag vor den Ferien eine Tagesbetreuung. Zuvor bestand hier – wie am Freitag nach Auffahrt – eine Lücke.
Aber nicht überall sind die zusätzlichen Betreuungsstunden gratis. In Münchenbuchsee beispielsweise finden bereits von Montag bis Mittwoch vor Auffahrt sogenannte Kollegiumstage für die Lehrpersonen statt. In dieser Zeit sind zwar die zusätzlichen Betreuungsstunden für Tagesschulkinder gratis. Doch Eltern von Schülerinnen und Schülern, die zuvor noch an keinem Wochentag in der Tagesschule angemeldet waren, zahlen 40 Franken pro Halbtag.
Gabriela Heimgartner vom Verein Schule und Elternhaus findet das vor allem ein Problem bei Familien, die weder über ein Netzwerk noch über genügend Finanzen für eine bezahlte Betreuung verfügen. Die Folge: Sie lassen ihre Kinder mit den älteren Geschwistern, dem Fernsehen und dem Computer unbeaufsichtigt zu Hause. «Sie melden sich weder bei uns noch bei der Schule, weil sie nicht wollen, dass jemand weiss, dass ihre Kinder allein zu Hause sind.»
Um sinnvolle Lücken bemüht
Hinzu kommt, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler gern die Tagesschule besuchen. Je nachdem müssen ihre Eltern dann andere Lösungen finden oder den Frust des Nachwuchses in Kauf nehmen «Ich verstehe, dass einige Eltern belastet sind», sagt Anna-Katharina Zenger, Leiterin Gewerkschaft beim Berufsverband Bildung Bern. Aber die Rechtslage sei klar: «Der Lehrplan 21 des Kantons Bern sieht vor, dass zehn Halbtage im Jahr eingesetzt werden können für Weiterbildungen, Brückentage und so weiter. Darüber entscheiden in der Regel die Schulkommissionen, also zumindest teilweise die Eltern.»
Der Freitag nach Auffahrt sei eine logische Wahl für einen solchen Brückentag und werde von vielen Eltern gewünscht, sagt Anna-Katharina Zenger. Zudem bemühe man sich, die Weiterbildungen so sinnvoll wie möglich anzusetzen. So werde der Berner Bildungstag, der alle zwei Jahre stattfindet, stets auf einen Mittwoch gelegt. Da am Nachmittag alle freihaben, fällt nur ein halber Schultag weg.
Aber wieso absolvieren Lehrerinnen und Lehrer ihre Weiterbildungen nicht in den Ferien? Immerhin haben sie dreizehn Wochen davon. «Das ist alles gesetzlich geregelt», erwidert die Gewerkschafterin. «Der Ferienanspruch der Lehrpersonen beträgt fünf Wochen, der Rest ist unterrichtsfreie Arbeitszeit.» Höchstens an fünf Tagen dieser unterrichtsfreien Arbeitszeit dürfen Lehrerinnen und Lehrer zu Weiterbildungen verpflichtet werden.
Pfingstferien für alle lösen das Problem
Einen ungewöhnlichen Weg, mit den zahlreichen schulfreien Tagen im Mai umzugehen, hat Münsingen gefunden: Seit Jahren gibt es dort für alle vom ersten Kindergarten bis zum sechsten Schuljahr «Pfingstferien». Diese dauern vom Mittwochmittag vor Auffahrt bis zum Dienstag, 30. Mai. Das heisst, die Schule ist für fast zwei Wochen zu.
«Das wird von allen sehr geschätzt», sagt Roger Kurt, Abteilungsleiter Bildung und Kultur. Denn so müssen Erziehungsberechtigte nicht einzelne Tage überbrücken, sondern können gleich im grossen Stil freie Tage einplanen.
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