Brot und Milch für die Familie in Luhansk
Nicht nur die russischen Hilfskonvois stecken an der Grenze zur Ukraine fest. Auch Ukrainer, die ihren Verwandten Essen und Medikamente aus Russland bringen wollen, werden aufgehalten.

Seit Tagen schon sitzen Olga und ihre zehn Begleiterinnen auf russischer Seite an der Grenze zur Ukraine fest. Brot, Milch und Medikamente haben die Ukrainerinnen in ihrem weissen Bus, bestimmt für ihre Verwandten im eingekesselten Lugansk. Doch sie dürfen nicht weiterfahren, ebenso wenig wie der russische Hilfskonvoi aus fast 300 Lastwagen. Zwar haben Kiew und Moskau ihren Streit um die Lieferungen mittlerweile beigelegt, aber auch die 300 Lastwagen standen am Sonntag weiter vor der Grenze.
Am Mittwochabend waren die Ukrainerinnen in Moskau gestartet, einen Tag später wollten sie in Luhansk sein, das von den prorussischen Separatisten beherrscht und von der ukrainischen Armee eingeschlossen ist. Sie kamen bis Krasnodon in der äussersten Ostukraine, dort war erst einmal Schluss.
Angehalten und wieder zurückgeschickt
«Wir haben Artillerieschüsse gehört, immer deutlicher», erzählt die 57-jährige Olga über die Fahrt. «Die Rebellen haben uns dann angehalten und als sie gesehen haben, dass wir nur Frauen sind, Zivilisten, haben sie uns gezwungen, nach Russland zurückzufahren». Das Gebiet sei zu gefährlich. «Sie hatten vielleicht Angst, dass unser Wagen mit den russischen Hilfslieferungen verwechselt und von der ukrainischen Armee angegriffen wird.»
Solange der russische Hilfskonvoi nicht passieren dürfe, könnten auch die Frauen nicht durch, heisst es daher seit Tagen für die Ukrainerinnern, die nahe dem Grenzposten im russischen Ort Donezk feststecken. Ihren Laster haben sie zum Camp umfunktioniert – die Sitze dienen als Betten, das Gepäck als Kissen. Dort sitzen sie nun auf Holzhockern, essen Melone, schauen zu, wie ihre Landsleute täglich über den Grenzposten nach Russland fliehen, und langweilen sich.
«Sie laufen weg, und unser Traum ist es, zurückzukehren», sagt Olga und Tränen laufen ihr über die Wangen. Angst haben sie vor dem Kampfgebiet nicht, sagen die Frauen. Irina, die Jüngste in der Gruppe, will ihre Grossmütter suchen, von denen sie seit einem Monat nichts gehört hat. Ljuba muss unbedingt wissen, wie es ihren Kindern geht: «Hauptsache, wir kommen dorthin. Ich bin bereit, einen Monat hier auszuharren, wenn es sein muss.»
«Keine Dusche, keine richtige Toilette»
Die beiden ukrainischen Fahrer haben den Frauen versprochen, sie nach Luhansk zu bringen, «koste es, was es wolle». Doch allmählich wird es vor allem den älteren Frauen der Gruppe ungemütlich in ihrem neuen Zuhause. «Schlafen Sie mal mit 57 Jahren bei 30 Grad fünf Nächte hintereinander auf Bussitzen», klagt Olga, «das ist die Hölle». «Keine Duschen, keine richtige Toilette, das ist hart», sagt die 51-jährige Tatjana. Doch dann ergänzt sie: «Aber das erleben unsere Angehörigen seit zwei Wochen.»
In Luhansk ist die Lage verheerend, die Zugänge zur Stadt sind versperrt, fliessend Wasser und Strom gibt es praktisch nicht mehr, die Vorräte sind knapp. Einige der Ukrainerinnen leben schon länger in Russland, andere sind jüngst vor den Kämpfen geflohen – und wurden in Russland wieder von der Gewalt zuhause eingeholt. «In Moskau habe ich jeden Tag vor dem Fernseher geweint», erzählt Tatjana. «Es hat mich verrückt gemacht, dass ich meiner Familie nicht helfen konnte. Deshalb musste ich zurückkommen.»
Tatjana will ihre Angehörigen nun dazu überreden, mit nach Russland zu kommen. Ljuba hingegen will Lugansk nicht mehr verlassen, sollte sie es bis dorthin schaffen. «Wir werden das, was Kiew zerstört hat, wieder aufbauen und dann werden wir ein neues Leben mit Moskau führen», sagt sie. «Wir werden russische Bürger sein, keine Ukrainer mehr.»
AFP/fko
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