Jair Bolsonaro begreift nicht, was auf dem Spiel steht
Wie der brasilianische Präsident das Coronavirus ignoriert und die brasilianische Bevölkerung gefährdet.

Eigentlich sollten es alle verstanden haben. Das neue Coronavirus zwingt die Regierungen dazu, rasch zu handeln, um die Verbreitung von Covid-19 einzudämmen. Elementare Massnahmen bestehen darin, Grossveranstaltungen zu verbieten und ein Social distancing durchzusetzen. Populistische Politiker, die sich gerne von den grossen Massen feiern lassen, haben ganz offensichtlich Mühe, diese Regeln durchzusetzen – und selber einzuhalten.
Das zeigt sich sehr gut am brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Gestern Sonntag demonstrierten Tausende Brasilianer in mehreren Städten gegen das Parlament und für Bolsonaro. Mittendrin: der brasilianische Präsident, der sich feiern lässt und mit seinen Anhängern abklatscht.
Bolsonaro nahm selber an den Demos teil
Der Rechtspopulist selbst hatte bei einem TV-Auftritt am Donnerstag die Anhänger aufgefordert, die vor Wochen angekündigten Demonstrationen zu verschieben. Bei dem Auftritt trugen er und sein Gesundheitsminister einen Mundschutz und wiesen auf die Gefahr von grossen Menschenansammlungen hin.
Aber schon am Sonntag änderte er seine Meinung. Spontan verliess er den Präsidentenpalast in Brasilia und ging auf Tuchfühlung mit seinen Anhängern. Auf einer Liveübertragung bei Facebook zeigte sich Bolsonaro euphorisch über die Menschenansammlungen: Es sei «unglaublich», dass sich die Leute versammelt hätten. «Alle – die Presse, das Virus, die Behörden mit ihren Empfehlungen – waren dagegen. Und trotzdem gingen die Menschen auf die Strassen.»
Er steht unter Quarantäne – eigentlich
Dabei steht der 64-Jährige unter Beobachtung und Quarantäne, wie am Freitag sein persönlicher Arzt mitteilte. Zuvor meldeten brasilianische Medien, Bolsonaro sei positiv auf Covid-19 getestet worden. Später teilte Bolsonaro selber mit, der Test sei negativ ausgefallen.
Allerdings wird das Ergebnis teilweise angezweifelt. Zwölf Personen, die mit ihm im Präsidentenflugzeug sassen, sind am neuen Erreger erkrankt. Darunter Fabio Wajngarten, der Kommunikationschef Bolsonaros. Noch in dieser Woche soll Bolsonaro zum zweiten Mal getestet werden.
Brasiliens Parlamentspräsident Rodrigo Maia sagte, Bolsonaros Teilnahme an den Demonstrationen würde die Bestrebungen im Lande, die Pandemie zu bekämpfen, erschweren. Der Oppositionspolitiker sprach von einem «Angriff auf die öffentliche Gesundheit».
Ebenfalls grosse Mühe mit einem angemessenen Social distancing hat der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador. Am Samstag veröffentlichte er auf Twitter ein Foto, auf dem er Anhänger umarmte und Babys küsste.

Auch ansonsten scheint es der mexikanische Staatschef mit Massnahmen gegen das Coronavirus nicht besonders ernst zu meinen. Die mexikanische Fussballliga hat bis am vergangenen Wochenende in vollen Stadien gespielt, als wäre nichts gewesen. Erst gestern wurde der Spielbetrieb unterbrochen. Am Wochenende fand das gigantische Musikfestival «Vive Latino» statt, mit Zehntausenden Zuschauern und Bands wie Guns 'n' Roses.

Das Verhalten Bolsonaros und Lopez Obradors darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Coronavirus Lateinamerika längst erreicht hat. Einige Länder haben drastische Massnahmen ergriffen. Die Präsidenten von Argentinien, Peru, Panama und Honduras verkündeten in jeweils eigenen Ansprachen an ihre Nationen am Sonntagabend die Schliessung ihrer Grenzen.
Mehrere Staaten riefen zudem inzwischen den Notstand aus. Die Gouverneurin des spanischsprachigen US-Aussengebiets von Puerto Rico, Wanda Vázquez, verhängte eine inselweite Ausgangssperre jede Nacht bis zum 30. März. In Ecuador dürfen die Menschen nach den Worten von Präsident Lenín Moreno ab Montag nur noch zu bestimmten Zwecken ihre Häuser verlassen.
Kolumbien hatte bereits am Samstag seine Grenze zu Venezuela geschlossen. Der dortige Machthaber Nicolás Maduro ordnete am Sonntag zudem eine Quarantäne in sieben Bundesstaaten Venezuelas an, darunter in der Hauptstadt Caracas. Als erstes Land der Region hatte das mittelamerikanische El Salvador bereits am Donnerstag seine Grenzen geschlossen. Mehrere Länder der Region hatten die Einreise aus dem besonders betroffenen Europa und einigen Staaten Asiens verboten.
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