Blutrotes Millionen-Geschäft
Vor Japan beginnt jetzt die blutige Delfinjagd, der jedes Jahr Tausende von Tieren zum Opfer fallen. Viele sterben nach brutalen Treibjagden, weil die schönsten Exemplare lebend zu Höchstpreisen an Delfinarien verkauft werden. Jetzt soll die Zoo-Weltorganisation in Bern Japan zur Räson zwingen.
«Nachdem die Fischer Delfine vor der Küste aufgespürt haben, treiben sie diese zusammen und jagen sie in die Bucht von Taiji.» Sigrid Lüber von Ocean Care verbirgt ihre Emotionen nicht, wenn sie die alljährlich stattfindenden Treibjagden auf Delfine und Kleinwale vor Japans Küsten schildert. «In der engen Bucht stecken die verängstigten Tiere in der Falle. Die Delfinjäger riegeln sie mit Netzen ab.» Bei Sonnenaufgang am nächsten Tag folge dann das Gemetzel. «Ein Tier um das andere stechen die Fischer mit Haken, Lanzen und Messern ab, zu Dutzenden, bis sich das Wasser rot färbt.»
Die Präsidentin von Ocean Care, der schweizerischen Organisation zum Schutz der Meeressäuger, hat die Delfintreibjagd in Japan nie selbst beobachtet. Doch Film- und Bilddokumente, die auch im Auftrag von Ocean Care teils mit versteckter Kamera angelegt wurden, belegen das beschriebene Geschehen in der Bucht des Fischerdorfes Taiji 700 Kilometer südlich von Tokio.
Handel mit Delfinarien
Auf den Aufnahmen ist auch zu erkennen, dass nebst den Fischern weitere Männer in Neoprenanzügen am Ufer oder im blutgetrübten Wasser herumstehen. Und dass eine gewisse Anzahl von Tieren – stets sind es Tümmler – am Leben bleibt. Richard O'Barry spricht von einem «unbeschreiblich grauenvollen Massaker». Der amerikanische, weltweit aktive Delfinschützer hat über mehrere Jahre hinweg die Treibjagd von Taiji persönlich verfolgt und einige der eindringlichsten Filmaufnahmen und Fotos davon gemacht. Er erklärt: «Die schönsten Tümmler werden am Leben gelassen, um sie an Delfinarien und Freizeitparks zu verkaufen.»
Das sei äusserst lukrativ. Für bis zu 200000 Dollar werden die Delfine laut O'Barry gehandelt. Besonders zynisch sei der Umstand, dass es ohne diese für die Tiere qualvolle Jagd schwierig würde, die grosse Nachfrage nach Delfinen für Zoos und Vergnügungsparks zu befriedigen. «Die boomende Delfinarien-Industrie bietet also erst den finanziellen Anreiz, um die Treibjagden in Gang zu halten», hält er fest.
Possen fürs Publikum
Richard O'Barry, 69, kennt sowohl die Perspektive der Delfinarien und Vergnügungsparks wie auch die des Delfinschutzes. In den 1960er-Jahren wurde er bekannt als Trainer der 5 Delfine, welche die Rolle von Flipper für die gleichnamige Fernsehserie spielten. Während dieser Zeit gelangte er allmählich zur Ansicht, wilde Delfine zu fangen und ihnen in einem engen Wasserbecken «Possen anzudressieren zur Belustigung des Publikums» sei «schlicht verwerflich». Heute ist der Gründer und Präsident der «Safe Japan Dolphins Coalition», einem internationalen Bündnis von Umweltorganisationen zum Schutz der japanischen Delfine, ein gefragter Referent und Aktivist.
Anfang nächster Woche weilt O'Barry auf Einladung von Ocean Care in der Schweiz, weil er glaubt, in Bern in seinem Kampf für die Delfine einen Schritt weiterzukommen.
Der Faden nach Bern
Die Verbindung vom Delfin-massaker an der japanischen Küste in die Hauptstadt des Binnenlands Schweiz verläuft so: Laut O'Barrys Erkenntnissen ist das Wal-Museum von Taiji ein wichtiger Händler und Umschlagplatz im Business mit lebenden Delfinen. Allerdings sei dieses Museum, so O'Barry, gleichzeitig Mitglied des japanischen Verbandes der Zoos und Aquarien Jaza. Die Jaza wiederum gehöre der Waza an, dem Weltverband der Zoos und Aquarien. Und dieser Weltverband hat seinen Hauptsitz in Bern-Liebefeld – offenbar historisch bedingt: Weil die Schweiz ein Land ist mit aussergewöhnlich langer Zoo-Tradition. «Die Delfintreibjagd und der Handel mit unter den beschriebenen Umständen gefangenen Tieren widersprechen in krassester Weise dem Ethikkodex der Waza», kritisiert Delfinschützer O'Barry: «Als Konsequenz müsste die Waza die entsprechenden Mitglieder mit sofortiger Wirkung ausschliessen.» O'Barry hofft, von der Waza empfangen zu werden. Bereits gesetzt ist ein Termin des Delfinaktivisten bei der japanischen Botschaft in Bern.
Waza setzt auf Dialog
Auf Anfrage dieser Zeitung nimmt die Waza aber bereits jetzt Stellung zum Ansinnen der Delfinschützer. Direktor Gerald Dick bestätigt aus seinem Büro in Bern: «Das Whale and Dolphin Museum in Taiji ist Mitglied der Jaza und in die sogenannte Delfintreibjagd involviert.» Und er betont: «Die Waza verurteilt das Massenabschlachten von Meeressäugern und die Methode der Delfintreibjagd, wie es vor den Küsten Japans stattfindet, aufs Schärfste.» Es müsse aber festgestellt werden, formuliert der Funktionär, dass nach japanischem Recht diese Vorgangsweise legal sei und dass das Museum von Taiji selber kein Waza-Mitglied sei. Die Situation könne also nur innerhalb Japans und politisch geändert werden. Es sei zwar bedauerlich, dass die Jaza ein solches Verhalten ihrer Mitglieder dulde.
«Aber ein Ausschluss der Jaza ist für uns kein Thema», hält Dick fest: «Erstens könnten wir so auch keinen indirekten positiven Einfluss mehr ausüben, und zweitens würden mit einem Ausschluss der Jaza sehr viele Institutionen betroffen, die mit dem, was in Taiji geschieht, überhaupt nichts zu tun haben.» Es sei aber traktandiert, anlässlich der Waza-Jahreskonferenz im kommenden Oktober in Adelaide, Australien, «Ereignisse wie in Taiji und anderen japanischen Orten zur Sprache zu bringen», betont Gerald Dick. «Wir setzen in dieser Sache auf den Dialog mit der Jaza und nicht auf Ausschluss. So können wir mehr erreichen.»
Bereit zur Jagd
Dass die Zoo-Weltorganisation ihre Jagdpraxis auf die Traktandenliste gesetzt hat, beeindruckt die japanischen Delfinfischer indessen nicht. Ab übermorgen Montag, 1.September, werden sie in See stechen und mit Billigung ihrer Regierung die alljährliche Jagd auf Delfine und Kleinwale eröffnen.
Sigrid Lüber von Ocean Care befürchtet, dass dabei auch dieses Jahr wieder mehr als 20000 Delfine und Kleinwale getötet werden – eine beträchtliche Anzahl davon in Treibjagden wie in Taiji, «angetrieben von der internationalen Delfinarien-Industrie», wie Sigrid Lüber sich ausdrückt.
Für sie ist der Fang von Delfinen für Delfinarien und Delfinschwimmprogramme ohnehin «eine Form von Walfang mit verzögerter Todesfolge. Denn viele Delfine, die ja zu den Kleinwalen gehören, sterben bereits beim Fang und Transport oder später im Delfinarium.»
Dieses Lebensende ist indessen nur den schönsten Exemplaren vorbehalten. Die meisten der zusammengetriebenen Delfine werden noch im Wasser abgeschlachtet und danach zu Büchsenfleisch, Tierfutter oder Dünger für den japanischen Markt verarbeitet.
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