Blutrausch und Liebeswahn
Bei Konzert Theater Bern eröffnet Heinrich von Kleists «Penthesilea» die Spielzeit. Die Inszenierung von Cihan Inan wird ab der zweiten Hälfte spannend und überzeugt mit ihren Bildern.

Sie schauen sich fast zärtlich an. Schmiegen sich aneinander. Es ist ein Moment des vermeintlichen und flüchtigen Glücks. Dann schlägt sie ihn. Er wirft sie zu Boden. Sie kämpfen, ringen, toben. Penthesilea (Milva Stark) und Achilles (Alexander Schmidt) sind zwei Liebende, die sich von ihrem Stammesgesetz her nicht lieben dürfen.
In der von Gewalt und Kriegslust dominierten Welt der männermordenden Amazone und des griechischen Helden gibt es keinen Platz für die Liebe. Und am Schluss sind sie sowieso alle tot.
Zähflüssiger Beginn
Die kurze Annäherung der beiden Hauptfiguren und der unmittelbar folgende Kampf sind ein erster Höhepunkt dieses Theaterabends, der eher zähflüssig beginnt. Mit der Inszenierung von Kleists «Penthesilea» hat sich Cihan Inan, der neue Berner Schauspieldirektor, keine einfache Aufgabe zum Saisonstart gestellt. Sogar Kleist selbst bezeichnete einst sein im Trojanischen Krieg angesiedeltes Drama als wohl ungeeignet für die Bühne.
In der zweiten Hälfte entfaltet Inans Inszenierung aber eine einnehmende Spannung und schafft bleibende Bilder. Der Regisseur schafft es aber nicht, das herausfordernde Werk aus dem Jahr 1806 leichter zu fassen. Im Gegenteil: Inan fügt ihm noch eine Ebene hinzu.
Vom Autor gelenkt
Der Regisseur verzichtet zum Glück darauf, ein grosses Kriegsspektakel zu inszenieren. Er fokussiert auf die beiden Protagonisten und stellt ihnen nur drei Figuren an die Seite (Chantal Le Moign, Alexandra Lukas, Gabriel Schneider). Insbesondere Penthesilea ist gut besetzt. Milva Stark überzeugt als Wahnsinnige, die zwischen Liebe und Blutrausch taumelt. Einzig einen früheren Entwicklungsstart hätte man ihrer Figur gewünscht.
Vom Bühnenrand her mischt sich eine Autorenfigur (Michael Neuenschwander) ins Geschehen ein. Der quasi abstrahierte Kleist lenkt zuweilen das Geschehen und mischt sich unter die Figuren. Sonst sitzt er hinter einem Schaltpult, blättert in Unterlagen und kommentiert. Mit Zitaten und Referenzen von Philosophen und Dichtern wirft er eine zusätzliche Perspektive auf den Stoff.
Es gibt keinen Platz für die Liebe. Und am Schluss sind sie sowieso alle tot.
Das ist überzeugend, wenn er die berühmten Betrachtungen von Susan Sontag zu Kriegsbildern zitiert, während die Helden mit ihrer Schlacht beschäftigt sind. Es ist ein spottender Gegenpol, wenn er mit dem Tischmikrofon über die Bühne tänzelt und einen Song anstimmt. Zu oft lassen die zusätzlichen Texte aber den sowieso schon schwer zugänglichen Kleist noch weiter entrücken.
Schrecken des Krieges
Hingegen wieder sehr gradlinig und im besten Sinne simpel ist die ästhetische Umsetzung (Bühne: Manfred Loritz). Mit einfachen Mitteln werden eindrückliche Bilder geschaffen. Etwa, wenn im roten Licht über einem Quader hängende Tote den Schrecken des Krieges verdeutlichen. Es ist jener Quader, auf dem und um den sich die ganze Begegnung von Achilles und Penthesilea abspielt. Graue Plastikblachen bieten Auf- und Abgänge.
Drei schwenkbare Bildschirme an der Decke tauchen die Szenerie in unterschiedliche Farbtöne. Und klar ist: Wo es um so viel Liebe und Zerstörung geht, braucht es zumindest am Schluss auch auf der Bühne gehörig viel Blut.
Weitere Vorstellungen: bis 6. 1., in der Vidmar 1, Liebefeld.
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