Blutiger Trip ins Herz der Tierkampf-Szene
Hunde zerfleischen sich, Hähne gehen aufeinander los. Der Dokumentarfilm «Die Bestie in uns» zeigt Tierkämpfe in hoch ästhetischen Bildern.
Ein Hinterhof irgendwo in Bali. Unter dem Jubel der Zuschauer betritt ein Hahn die Kampfarena. An den Füssen des Tiers sind 20 Zentimeter lange Klingen befestigt. Eine Mischung aus Abscheu und Faszination liegt in den Augen der Zuschauer. Man weiss, dass bald Blut fliessen wird.
Die Szene stammt aus dem Dok-Film «Die Bestie in uns» und bringt das Unheimliche von Tierkämpfen auf den Punkt: Keiner will sie, doch jeder schaut hin. Pikanterweise thematisiert der Schweizer Regisseur Yves Scagliola diesen scheinbaren Widerspruch ohne Off-Kommentar. Eine moralische Einordnung fällt so weg. Stattdessen lässt er hoch ästhetische Bilder sprechen, die er bei Tierkämpfen rund um die Welt eingefangen hat.
Rapide persönliche Abstumpfung
Warum hetzen Menschen ihre Tiere auf die Tiere anderer Menschen? Es ist diese Frage, die Scagliola seit einem zufällig besuchten Hahnenkampf in Thailand beschäftigt. Handelt es sich um sublimierte Territorialkämpfe? Oder versuchen wir in Tierkämpfen die Endlichkeit des Lebens zu verstehen, indem wir das Überleben feiern? Verspricht Gewalt gar Lustgewinn? Wer sich «Die Bestie in uns» ansieht, muss wohl alle Fragen mit Ja beantworten.
Natürlich gibt es einen weitaus banaleren Grund für Tierkämpfe: Geld - zu verdienen mit Kampfwetten. «Ausser der einzigen Frau in der Crew, setzten auch wir auf die Tiere», sagt Yves Scagliola, der während der Kämpfe eine rapide persönliche Abstumpfung konstatiert hat.
Scagliola hatte nach eigenen Angaben Mühe, einen Verleiher für seinen Film zu finden. Nicht weil das Thema zu reisserisch sei, sondern wegen der unkommentierten Darstellung der Kämpfe: «Ist von Tierkämpfen die Rede, macht sich auch bei sonst offenen Filmschaffenden reflexartig moralische Entrüstung breit».

Filmdreh in den Slums von Mexiko-City
Ganz unverständlich ist die Reaktion der Verleiher nicht. Zwar zeigt Scagliola auch chinesische Grillenkämpfe. Doch im Gedächtnis der Zuschauer bleiben wohl eher die Hahnen- und Hundekämpfe haften. Letztere wurden unter schwierigsten Bedingungen in Mexiko-City aufgenommen: Auf Hundekämpfe stehen drei Jahre Haft, die Veranstaltungsorte werden erst in letzter Minute bekannt gegeben. Dazu kam die Angst um die Filmausrüstung; der Kampf fand im Herzen der Slums statt.
Doch für den Regisseur ist die Faszination, die das Spiel mit dem Tod auf Menschen ausübt, nicht nur archaisches Hinterhof-Ritual, sondern auch Teil der modernen Gesellschaft. Ein Blick ins Internet gibt ihm Recht: Auf Hunderten von Websites wird Trainingsausrüstung für Pitbulls angeboten, Online-Magazine geben Tipps, wie eigentlich friedliche Hunde zu Kampfmaschinen umprogrammiert werden, reisserische Tierkampf-Berichte erfreuen sich grösster Beliebtheit.
Scagliolas Film behauptet nicht, dass wir alle verkappte Tierkampf-Freunde sind. Doch er fordert uns zu einem Urteil heraus und legt den Schluss nahe, dass dem Phänomen nur gerecht wird, wer in sich selbst schaut. Denn sicher ist, dass die Bestie in jeder Gesellschaft nicht nur innerhalb, sondern auch ausserhalb der Kampfarena zu finden ist. Und dass sie mit einer Spritze Zivilisation nicht zu besänftigen ist.
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