Blutiger Sonntag in Syrien
Verschiedenen Quellen zufolge haben syrische Sicherheitskräfte heute über 50 Menschen getötet. Die Regierung verspricht baldige «freie und faire» Wahlen – doch international verschärft sich der Ton.
Die syrischen Regierungstruppen haben ihr Vorgehen gegen die seit fünf Monaten andauernde Protestbewegung weiter verschärft und heute mindestens 52 Menschen getötet. Soldaten stürmten nach Angaben von Aktivisten Teile der nahe der irakischen Grenze gelegenen Stadt Deir al-Zor und griffen die Stadt Hule im Zentrum des Landes an.
Aktivist Abdul Karim Rihawi von der in Damaskus ansässigen Syrischen Menschenrechtsliga sagte, in Deir al-Zor seien mindestens 42 Menschen getötet worden und in Hule weitere zehn. Der Leiter der Nationalen Organisation für Menschenrechte in Syrien, Ammar Kurabi, berichtete hingegen von 42 Toten in Deir al-Zor und 17 in Hule. In Idlib seien zudem zehn Menschen erschossen worden, während sie an einer Trauerfeier teilgenommen hätten.
Regierung verspricht «freie und faire» Wahlen
Zuvor hatte der syrische Aussenminister Walid al Moallem «freie und faire» Wahlen bis Ende des Jahres versprochen und politische Reformen angekündigt. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon und Papst Benedikt XVI. forderten ein sofortiges Ende der Gewalt. Auch die Türkei verschärfte den Ton gegen das Nachbarland.
Ein Aktivist in Deir al-Zor sagte der Nachrichtenagentur AP, die Streitkräfte hätten vor Tagesanbruch die Stadt von vier Seiten aus angegriffen. Die Soldaten hätten bislang acht Wohngebiete unter ihre Kontrolle gebracht. Die Örtlichen Koordinationskomitees bestätigten, dass die Truppen Teile von Deir al-Zor eingenommen hätten.
Die humanitären Bedingungen in der Stadt seien sehr schlecht, sagte der Aktivist in Deir al-Zor, der aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen anonym bleiben wollte. Es gebe einen Mangel an Medikamenten, Säuglingsnahrung, Lebensmitteln und Benzin. «Die Stadt ist total paralysiert», sagte er. Viele der Verletzten könnten nicht in Krankenhäuser gebracht werden und würden in Häusern und Moscheen behandelt, die in Kliniken umgewandelt worden seien, sagte er.
Protesthochburg Hama weiter eingekesselt
Die Streitkräfte von Assad kesselten gestern die Protesthochburg Hama weiter ein. Die Belagerung der Stadt begann vor einer Woche, nachdem die Bewohner die 800'000-Einwohner-Stadt eingenommen und gegen Sicherheitskräfte des Regimes verbarrikadiert hatten. Ein Bewohner aus Hama berichtete, die Stadt sei am Freitagabend bombardiert worden, dabei habe es mehrere Tote gegeben.
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen kamen beim Vorgehen der Regierungstruppen in Hama bislang mindestens 100 Menschen ums Leben, andere schätzen die Opferzahl auf 250. Ein Krankenhaussprecher in Hama sagte laut der in London ansässigen Organisation Syrian Observatatory for Human Rights (SOHR), während eines Stromausfalls vor einem Angriff der Truppen am Mittwoch seien acht neugeborenen Babys in ihren Inkubatoren gestorben. Nähere Einzelheiten wurden nicht genannt.
Auch die Türkei verschärft den Ton
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte, sein Aussenminister Ahmet Davutoglu werde am kommenden Dienstag nach Damaskus reisen, um gegen das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Regierungskritiker zu protestieren. Die Geduld der Türkei lasse nach, und sein Land könne der Gewalt nicht tatenlos zusehen, erklärte Erdogan gestern am späten Abend laut einer Meldung der halbamtlichen Nachrichtenagentur Anadolu.
Ankara unterhielt bis vor kurzem enge Beziehungen zu Damaskus, äusserte sich zuletzt aber immer kritischer über das Vorgehen gegen die Protestbewegung, das nach Angaben von Aktivisten bislang mehr als 1700 Menschen das Leben kostete.
Ban telefoniert mit al-Assad
Uno-Generalsekretär Ban sagte laut einer Mitteilung der Vereinten Nationen in einem direkten Telefongespräch mit dem syrischen Präsidenten Baschar Assad, das Land sei verpflichtet, international gültige Menschenrechte einzuhalten. Der Golfkooperationsrat forderte ein sofortiges Ende des Blutvergiessens. Die sechs Mitgliedstaaten erklärten, die Gewalt müsse beendet werden und es müsse «ernsthafte» Reformen in Syrien geben.
Papst Benedikt XVI. sagte in seiner Sonntagspredigt, er verfolge «die dramatischen und zunehmenden Vorfälle der Gewalt» mit Besorgnis. Er forderte die Regierung in Damaskus auf, angemessen auf «die berechtigten Hoffnungen der Bürger» zu reagieren, erklärte der Papst in seiner Sommerresidenz in Castelgandolfo südlich von Rom.
Bassem Mroue ist Korrespondent der AP in Beirut
dapd/ami
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