Bizarre Satire auf den American Way of Life
Krimi der Woche: Total abgefahren, und das im übertragenen wie im wörtlichen Sinn, ist der Roman «Gascoyne» von Stanley Crawford aus dem Jahr 1966.

Der erste Satz
«Alles fängt damit an, dass ich ein paar Mal das Gaspedal durchtrete und dann den Zündschlüssel drehe, der Anlasser dröhnt, und endlich springt der Motor an und macht beim Laufen Geräusche, die nicht so gleichmässig sind, wie sie mal waren.»
Das Buch
Gascoyne lebt und arbeitet mit höchster Geschwindigkeit, und das ganz konkret: Er brettert in seinem 1955er-Nash durch die Stadt und dirigiert vom Autotelefon aus seine weitverzweigten und nur teilweise legalen Geschäfte. Er isst im Auto, zwischendurch schläft er auch im Auto. Dass seine Fahrweise Unfälle provoziert, beobachtet er im Rückspiegel mit Vergnügen.
Gascoyne ist der Protagonist des Romans, er gibt ihm auch den Titel. Es ist das 1966 erschienene Debüt des inzwischen 81-jährigen amerikanischen Autors Stanley Crawford, der seit 1970 auch als Knoblauchfarmer tätig ist. Los geht es wie ein Krimi: Rufus Roughah «hat gerade einen Schuss zwischen die Augen bekommen», was wenig Trauer auslöst. Doch Gascoyne interessiert, weshalb ausgerechnet der Polizeichef am Tatort war, der den Fall schnell als Suizid abhaken will. Roughahs Witwe beauftragt Gascoyne, zu beweisen, dass es Mord war – sonst kommt sie nicht an die Lebensversicherung.
«Gascoyne» ist eine bizarre Mischung aus Krimi, Science-Fiction, Slapstick, Gesellschaftskritik und Drama. Bisweilen fragt man sich, was der Autor wohl eingepfiffen hat, als er diesen Roman schrieb. Etwa wenn in einem unterirdischen Labor an der Zucht zoologischer Waffen gearbeitet wird, zum Beispiel an fliegenden Regenwürmern. Wozu? «Reine Abschreckung.»
Das sind aber nur Nebenschauplätze. Im Grunde ist das Buch eine tief ironische und beissend sarkastische Parodie auf den American Way of Life – mit bemerkenswert prophetischem Charakter. Das ist oft witzig, etwa wenn Einkaufswagen im Supermarkt just dort von im Boden eingelassenen Magneten gebremst werden, wo die teuren Produkte stehen.
Der Laden heisst «Your Locally Owned and Run Bonanza-Banquette Supermarket», aber: «In Wahrheit ist der Besitzer ganz und gar nicht lokal, weil ich nicht in dieser Gegend wohne, und in einem Viertel wie dem B. C. City Estate Homes besitzt überhaupt niemand irgendetwas, und keiner weiss, wer etwas besitzt, was er selber nicht besitzt, was so gut wie alles ist.»
Gascoyne entfaltet eine Menge Hektik und findet, er habe «zu viel um die Ohren, um noch den Überblick zu behalten». Bis er plötzlich vom Gas geht, weil er gar nicht weiss, wohin er fahren soll. «Dann wird mir bewusst, dass ich gerade eigentlich nirgendwo so richtig hinmuss, was nicht sehr oft vorkommt, das letzte Mal vor etwa fünf Jahren, und ich frage mich, wie es dazu kommen konnte.» Abgefahren.
Die Wertung
Der Autor
Stanley Crawford, geboren 1937 in San Diego, Kalifornien, studierte an der University of Chicago und an der Sorbonne in Paris. Er lebte acht Jahre in Europa und in Südamerika, bevor er Ende 1968 mit seiner australischen Frau RoseMary, die er auf Kreta kennen gelernt hatte, in die USA zurückkehrte. Seinen ersten Roman, «Gascoyne», hat er auf Lesbos geschrieben, den zweiten, «Travel Notes» auf Kreta. 1970, ganz im Hippie-Groove, gründete das Paar in Dixon, New Mexico, die Farm El Bosque, auf der sie bis heute Knoblauch anbauen, den sie vor allem auf dem Farmer's Market von Santa Fe, dem Crawford eine Zeitlang als Präsident vorstand, verkaufen. Seit mehreren Jahren steckt er in einem bizarren Rechtsstreit mit dem grössten Knoblauchimporteur der USA, weil dieser Steuern umgangen habe. Daneben veröffentlichte er rund ein Dutzend Bücher, darunter auch Sachbücher wie «Mayordomo: Chronicle of an Acequia in Northern New Mexico» (1988) und «A Garlic Testament: Seasons on a Small New Mexico Farm» (1992). Zuletzt erschien in den USA sein Roman «Village» (2017).

Stanley Crawford: «Gascoyne» (Original: «Gascoyne», G. P. Putnam's Sons, New York 1966). Aus dem Englischen von Nina Schiefelbein. Louisoder Verlag, München 2018. 381 S., ca. 33 Fr.
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