«Bin ich Feministin? Natürlich!»
Roher, souliger, bluesiger: Fünf Jahre nach dem letzten Album ihrer Band Gossip und nach der schleichenden Auflösung des Trios legt die US-Sängerin Beth Ditto (36) nun ihr Solodebüt «Fake Sugar» vor.

Frau Ditto, Sie haben im vergangenen Herbst ihre zweite Plus-Size-Kollektion auf den Markt gebracht, und nun kommt Ihr erstes Soloalbum raus.Beth Ditto: Ich ertrinke lieber in Arbeit, als nichts zu tun zu haben. Zudem habe ich ein neues Hobby: Häkeln! Ich kann jetzt häkeln wie eine Weltmeisterin. Ich habe uns den ganzen Hausstand gehäkelt: Schals, Mützen, Sweater, eine warme Decke.
Vor fünf Jahren kam die letzte Platte ihrer Band Gossip raus. Warum kams zum Bruch?Es zeichnete sich schon damals ab, dass es nicht mehr lange gut gehen würde mit der Band. Der Bassist Nathan Howdeshell hatte keine Lust mehr darauf, mit mir zusammen Musik zu machen.
Wie war es, allein ein Album zu machen?Ich habe die anderen vermisst. Ich musste lernen, anderen Menschen zu vertrauen, mich zu öffnen. Und ich musste lernen, mir selbst zu vertrauen. Das war hart, tat mir aber gut. Da ich mich immer sehr auf Nathan verlassen hatte, musste ich nun selbstständiger handeln. «Fake Sugar» aufzunehmen war so, wie nach einer langjährigen Beziehung wieder auf Dates zu gehen. Dementsprechend handeln die neuen Songs von Neuanfängen.
«Fire» ist ein wahrer Sommerhitanwärter. Wollen Sie Chartrekorde brechen wie mit dem Gossip-Hit «Heavy Cross»?«Fire» sollte erst gar nicht aufs Album, ich fand den Song blöd – vielleicht ist das ein gutes Zeichen. Von «Heavy Cross» habe ich anfangs auch nicht viel gehalten. Tja, und was wäre nur aus meinem Leben geworden, gäbe es den Song nicht (lacht).
Sie stammen aus einem Kaff namens Searcy in Arkansas. Ist ihre Direktheit typisch für die Menschen aus den US-Südstaaten?Ja. Wir sind nett, warm, freundlich, liebenswürdig . . . und verdammt laut!
Sie sprechen auch offensiv über ihre Kindheit: Sie sind mit sechs Geschwistern und einer liebevollen Mutter, aber auch mit wechselnden Stiefvätern gross geworden. Ihr Onkel hat Sie missbraucht.Es war nicht immer einfach, aber zuerst kommen mir immer die schönen Sachen in den Sinn: die Musik, die Kultur, das Essen. Dennoch gab es natürlich auch Schattenseiten. Wir waren eine arme Familie.
Mit 18 sind Sie weggezogen.Ich wollte die Welt sehen. Zudem ist Arkansas sehr rassistisch, nicht sehr divers, nicht besonders tolerant. Homosexualität wird von vielen als Sünde empfunden.
Können Sie verstehen, dass in Arkansas viele Menschen aufgrund ihrer Perspektivlosigkeit Donald Trump gewählt haben?Nein. Als ich Teenager war, waren die Republikaner die Partei der Reichen, nicht die Partei für Leute wie uns. Jetzt hat sich das seltsamerweise gedreht. Viele denken zudem, dass Trump von Gott
gesandt wurde.
Sind Sie religiös?Nein. Ich mag die Klarheit und Beweise der Wissenschaften, auch wenn ich nicht besonders schlau bin. Ich liebe es, wenn es so kompliziert wird, dass ich überhaupt nichts mehr verstehe.
Wie können Sie die Welt verbessern?Ich will den Leuten aufzeigen, dass sie sein können, was sie wollen. Ich bin fett, lesbisch, und viele ertragen mich kaum. Dennoch sitze ich hier. Mit meiner exzentrischen Plus-Size-Mode will ich neue Horizonte eröffnen. Statt den Körper zu verhüllen, zeigt sie ihn. Man muss sich nicht verstecken, weil man dick ist. Auch eine dicke Frau darf stolz auf ihren Körper sein.
Sind Sie eine Feministin?Natürlich. Ich verabscheue Sexismus, ich trete ein für die Rechte Benachteiligter. Als Frau muss man immer noch härter kämpfen als ein Mann.
2013 haben Sie Ihre Lebensgefährtin geheiratet. Hat die Ehe Ihr Leben verändert?Obschon ich vorher schon fünf Jahre mit meiner Frau zusammen war, war es für mich eine grosse Umstellung. Seit ich verheiratet bin, fühle ich mich erwachsen. Und ich begreife, dass das Leben eine endlose Aneinanderreihung von Kompromissen ist.
Beth Ditto: «Fake Sugar», Sony, ab 16. Juni erhältlich.
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