Biete Kühlschrank-Fabrik gegen Kampfjet-Auftrag
Ob die Schweizer Luftwaffe je mit Gripen durch die Luft düst, ist unklar. Sicher ist hingegen, dass Offset-Deals beim Entscheid eine zentrale Rolle spielen. Ein Geschäft, das gängige Regeln durcheinanderbringt.

«Wir bekommen hier Zugang zu neuen Technologien und neuen Produkten. Auf dem freien Markt hätten wir sonst keine Chance», sagte Markus Niederhauser von Systems Assembling, einem Westschweizer Hersteller von Spezialkabeln, jüngst im Schweizer Fernsehen. Seine Firma gehört zu den Profiteuren der sogenannten Gegengeschäfte zum Gripen-Deal.
Voraussichtlich für 2,2 Milliarden Franken kauft die Schweiz beim schwedischen Hersteller Saab Gripen-Kampfjets. Wie üblich werden grosse Rüstungsgeschäfte mit Gegengeschäften quasi abgegolten. Das heisst, Saab sorgt dafür, dass die Schweizer Industrie Aufträge im Umfang des gleichen Betrags erhält.
Zwiespältige Bilanz
Die Aussage von Systems-Assembling-Chef Niederhauser zeigt allerdings einen Schwachpunkt dieser Art von Deals. Es erhalten Anbieter Aufträge, die auf dem freien Markt nicht zum Zug kämen. So zumindest muss man seine Aussage deuten. Da muss so manchem Ökonomen der Atem stocken. Verlierer wären unter anderem andere Firmen und die Steuerzahler.
Beim Bund ist man sich dieser Schwierigkeiten von Gegengeschäften bewusst. Deshalb liess die eidgenössische Finanzkontrolle zwischen 1995 und 2005 insgesamt 28 Deals untersuchen. Fazit: Die Wirksamkeit auf den Schweizer Industriesektor war deutlich geringer als ursprünglich angegeben. Internationale Studien bezifferten die durch Offset-Deals entstandenen Zusatzkosten auf 5 bis 15 Prozent.
Ungarn erhält eine Electrolux-Fabrik
Unter dem Regime der Welthandelsorganisation (WTO) sind Gegengeschäfte eigentlich verboten, sie gelten als eine Form des Protektionismus. Eine Ausnahme bilden hier die Rüstungsgeschäfte. Und davon wird weltweit Gebrauch gemacht.
Wohin das führen kann, zeigt ein weiteres Beispiel, das im Zusammenhang mit einem Gripen-Deal steht. In Ungarn – evaluiert wurden offenbar Standorte in mehreren osteuropäischen Ländern – hat der schwedische Haushaltgerätehersteller Electrolux seine grösste Fabrik für Kühlschränke in Europa gebaut. Die Erklärung dafür: Die ungarische Luftwaffe hat bei Saab bis 2026 insgesamt 14 Gripen geleast.
Die Verbindung zu ABB
Die Frage sei berechtigt, was Kühlschränke mit Kampfjets zu tun haben. Nun, der zweitgrösste Anteilseigner von Saab ist die schwedische Investor AB. Eine Gesellschaft, die bei mehreren Multis engagiert ist, darunter ABB, Astra Zeneca – und eben auch Electrolux. Saab hat also über Investor AB die Firma Electrolux dazu gebracht, in Ungarn diese Fabrik zu bauen. Gegründet und noch heute geleitet wird Investor AB von der bekannten schwedischen Familie Wallenberg.
Und mit den Kühlschränken sind wir beim Thema indirektes Gegengeschäft. Diese Deals – und das wird die übermässige Mehrzahl sein – müssen nämlich nicht mit Rüstungsfirmen abgeschlossen werden. Allerdings: Es müssen Industrieaufträge sein. Gut vorstellbar also, dass Saab via ihre Verbindung Investor AB dem Elektrotechnikkonzern ABB zu Aufträgen verhilft. Das gilt dann auch als Gegengeschäft. Die Aufträge müssen also nicht direkt von Saab stammen, noch müssen die Produkte daraus für die Gripen oder andere Saab-Geräte bestimmt sein.
Diesmal soll es besser werden
Aus Sicht der Schweizer Industrie ist das dennoch eine gute Sache, solange die Aufträge fliessen und Jobs erhalten oder sogar geschaffen werden können. Problemlos ist es trotzdem nicht und Kritik blieb bisher auch nicht aus. Die ökonomische Wirkung von Gegengeschäften werde überschätzt, sagte ETH-Professor Roman Boutellier der «Handelszeitung» (Artikel online nicht verfügbar). Und auch die GSoA, die eigentlich gar keine Kampfjets möchte, wies einmal auf die heiklen Gegengeschäfte hin. «Marktverzerrung auf Kosten der Steuerzahler», lautete der Titel eines Communiqués. Darin war die Rede, wonach «lusche Gegengeschäfte» in anderen Bereichen «illegal» wären.
Damit die Sache mit den Gegengeschäften diesmal besser läuft, hat der Bund das sogenannte Offset-Büro eingerichtet. Es hat den Auftrag, die Offsets zu begleiten und auf deren «richtige» Umsetzung zu überwachen. Zum Beispiel müssen hiesige Anbieter konkurrenzfähig sein. ETH-Professor Boutellier blieb bei seiner kritischen Haltung: «Auch nach den Reformen mit dem Offset-Büro verteuern die Kompensationsgeschäfte den gesamten Flugzeugkauf.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch