Bewaffnete kidnappen Sohn von Ex-Premier
Kurz vor den Wahlen erreicht die Gewalt in Pakistan einen Höhepunkt: Unbekannte entführten einen Nachwuchspolitiker von einem Podium. Die Taliban drohen, das Land mit einer Welle der Gewalt zu überziehen.

Yussuf Gilani, pakistanischer Premier von 2008 bis 2012, hat gegenüber der britischen Rundfunkanstalt BBC angegeben, sein Sohn sei während einer Wahlkampfveranstaltung entführt worden. Gilanis Sohn Ali Gilani kandidiert für die pakistanische Volkspartei in der Provinz Punjab.
Augenzeugen beschrieben laut dem Bericht, wie Bewaffnete in einem schwarzen Honda und einem Motorrad bei der Wahlveranstaltung vorgefahren seien. Einige davon hätten das Feuer eröffnet, einen Mann getroffen und Gilani ins Auto gezerrt. Eine Person soll bei dem Angriff gestorben sein.
Erste demokratische Übergabe
Bei den Parlamentswahlen in Pakistan am Samstag wird das südasiatische Land eine historische Premiere erleben: Erstmals seit der Unabhängigkeit 1947 wird eine Regierung nach Beendigung ihrer Amtszeit die Macht an einen demokratisch gewählten Nachfolger abgeben.
Kurz vor den Parlamentswahlen reisst aber die Gewalt in dem Land nicht ab. Bei einem Selbstmordanschlag im Nordwesten des Landes wurden am Mittwoch zwei Menschen getötet und 23 weitere verletzt, wie die Polizei mitteilte. Bei dem Anschlag im Distrikt Bannu in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, einer der Hochburgen der radikalislamischen Taliban, steuerte der Selbstmordattentäter sein mit Sprengstoff beladenes Auto laut Polizei in Absperrungen vor einer Polizeiwache. Der Täter griff das stark gesicherte Gebäude von hinten an und verwendete 500 Kilogramm Sprengstoff. Sieben Häuser und Teile der Polizeistation stürzten durch die Wucht der Explosion ein.
Unter den Toten sind nach Angaben des örtlichen Polizeichefs Abdul Ghafoor Afridi eine Frau und ein Polizist. In ein Krankenhaus wurden 23 Verletzte eingeliefert, darunter Frauen, Kinder und Polizisten. Nach Krankenhausangaben befinden sich zwei Verletzte in lebensbedrohlichem Zustand.
Tausende von Polizisten
Ein massives Sicherheitsaufgebot soll die Parlamentswahl vor Anschlägen der radikal-islamischen Taliban schützen. Allein in der bevölkerungsreichsten Provinz Punjab sollen bei der Abstimmung am Samstag rund 300'000 Polizisten und Soldaten im Einsatz sein, wie ein Armeesprecher am Donnerstag erklärte.
Weitere 96'000 Sicherheitskräfte würden im Nordwesten des Landes die Wahl gegen die Taliban schützen. Den pakistanischen Geheimdiensten würden Informationen vorliegen, wonach die Extremisten am Wahltag eine Angriffswelle planten. Doch darauf seien die Sicherheitskräfte vorbereitet, fügte der Armeesprecher hinzu.
Taliban drohen mit Anschlägen
Die radikalislamischen Taliban haben derweil nach eigenen Angaben Selbstmordanschläge für die Wahl am Samstag in Pakistan vorbereitet. Taliban-Führer Hakimullah Mehsud habe die Anschläge persönlich befohlen, sagte ein Kommandeur der Extremisten der Nachrichtenagentur AFP.
Mehrere Attentäter seien entsandt worden, um die Anschläge zu verüben. «Du kümmerst Dich um Anschläge in Punjab und Sindh, ich übernehme Khyber Pakhtunkhwa und Baluchistan», hiess es in einem Brief, der offenbar von Mehsud an Taliban-Sprecher Ehsanullah Ehsan adressiert war und der Nachrichtenagentur AFP vorlag.
«Wir akzeptieren das System der Ungläubigen, das sich Demokratie nennt, nicht», schrieb Mehsud in dem Brief. Deshalb würden die Taliban das Land am Wahltag mit einer Welle der Gewalt überziehen.
Spitzenkandidat verletzt
Der Wahlkampf in Pakistan wurde bereits in den vergangenen Wochen von zahlreichen Anschlägen überschattet. Nach AFP-Berechnungen wurden dabei seit Mitte April 111 Menschen getötet. Die pakistanischen Taliban hatten die Wahlen als unislamisch verurteilt und mehrere grosse Parteien direkt bedroht.
Der Spitzenkandidat der Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) und ehemalige Cricketstar, Imran Khan, musste unterdessen den Wahlkampf vorerst auf Eis legen. Khan war am Dienstag bei einem Auftritt in Lahore von einem Bühnenaufzug gefallen. Ein Arzt der Shaukat-Khanum-Klinik erklärte am Mittwoch, der 60-Jährige müsse mindestens zwei Tage stationär behandelt werden. Khan ist den Angaben zufolge nicht lebensgefährlich verletzt, hat aber Verletzungen am Kopf, am Rücken und an einer Schulter.
In einer Fernsehansprache forderte der sichtlich geschwächte Khan von seinem Krankenhausbett aus die Wähler auf, für die PTI zu stimmen. «Ich habe alles, was möglich war, für dieses Land getan», sagte er. Nach Angaben seiner Wahlkampfhelfer könnte Khan sich möglicherweise am Donnerstag zu einer letzten Wahlkampfveranstaltung zu Wort melden, notfalls vom Krankenhausbett aus.
Neben dem früheren Ministerpräsidenten Nawaz Sharif von der konservativen Partei Pakistan Muslim League (PML-N) ist Khan der einzige Spitzenpolitiker, der im Wahlkampf trotz Drohungen der Taliban an öffentlichen Kundgebungen teilnahm. Aus Solidarität zu dem verletzten Konkurrenten sagte Sharif alle Wahlkampfveranstaltungen am Mittwoch ab. Auch die Muttahida Qaumi Bewegung (MQM) kündigte an, Parteichef Altaf Hussain werde sich wegen Khans Zustand nicht an die Wähler wenden.
Am Samstag finden in Pakistan Parlamentswahlen statt, bei denen erstmals in der Geschichte des südasiatischen Landes die Regierung nach Beendigung ihrer vollen Amtszeit die Macht an einen demokratisch gewählten Nachfolger übergeben soll. Insgesamt stehen knapp 4700 Kandidaten zur Wahl, darunter 161 Frauen. Zur Wahl aufgerufen sind 86,2 Millionen Pakistaner. Zwar gilt die PML-N als Favorit, doch hofft Khan auf einen Durchbruch für seine Partei. Die PTI findet vor allem in der städtischen Mittelklasse Anhänger.
sda/AFP/mw
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