Bern kann Wohnstrategie umsetzen
Den einen geht sie nicht weit genug, die anderen schreien «Planwirtschaft» und «Verwaltungsirrsinn»: Die Wohnstrategie des Berner Gemeinderats gab im Stadtrat zu reden. Doch gefährdet war sie nie.

Wohnungsbau in Bern: Kein Thema eignet sich besser dazu, die Welten aufzuzeigen, welche das rot-grüne vom bürgerlichen Lager im Berner Stadtrat trennen. Am äusseren Rand der einen Seite: das Gründe Bündnis (GB) und die Junge Alternative (JA). Ihnen ist die am Donnerstagabend vom Gemeinderat zur Abstimmung präsentierte, linke Wohnstrategie nicht links genug.
Die Strategie hält fest, dass die Stadt vermehrt selbst bauen will, um die Anzahl an preisgünstigen Wohnungen zu vergrössern. Bis 2025 will sie 1000 Wohnungen «mit Vermietungskriterien» an Personen mit eingeschränkten finanziellen Mitteln vermieten (siehe Infobox unten).
Weiter sieht sie vor, dass bis 2030 die Hälfte aller Wohnungen in Bern im preisgünstigen oder gemeinnützigen Segment entsteht. Um das zu erreichen, fördert die Stadt aktiv gemeinnützige Trägerschaften – etwa dadurch, dass sie diesen für Bauvorhaben Darlehen zu Konditionen vergibt, mit denen keine Bank mithalten kann.
«Zu wenig ambitioniert»
«Zu wenig, zu langsam», befand die GB/JA-Fraktion im Stadtrat. Zwar würden sie begrüssen, dass die Stadt Bern eine soziale Wohnungspolitik betreiben wolle, sagte Lea Bill (GB). «Die Strategie ist aber keine Vision, sondern nur eine Bestandesaufnahme von allem, was der Stadtrat seit Jahren fordert.» Kurz: Sie sei zu wenig ambitioniert, Konkretes suche man vergeblich, sagte Bill. 1000 Wohnungen bis 2025 könnten doch kein ernsthaftes Ziel sein. «Das muss schneller gehen.»
«Wir dürfen Menschen nicht von heute auf morgen aus ihrer Wohnung werfen, weil sie die Kriterien nicht mehr erfüllen.»
Bereits jetzt müsse eine Fachstelle zur Vermittlung von preisgünstigen Wohnungen geschaffen werden, forderte die grüne Politikerin. Um den Mangel an günstigem Wohnraum rascher zu beheben, verlangte ihre Fraktion, dass sich die Stadt Bern direkt an Wohnbaugenossenschaften beteiligt und aggressiver auf dem Immobilienmarkt aktiv wird. «Dass von 77000 Wohnungen in Bern nur 2000 im Besitz der Stadt sind, ist bedenklich», fand Lea Bill.
«Sozialistischer Traum»
Bedenklich. Das Wort fiel auch, als SVP-Fraktionschef Alexander Feuz das Wort ergriff. Die vorgelegte Wohnstrategie lese sich wie ein Papier der kommunistischen Poch-Partei aus den Achtzigerjahren. Interventionistisch. Planwirtschaft. Erzieherisch. Beamtenbeschäftigung: Feuz redete sich in Rage. «Wir sind auch für sozialen Wohnungsbau. Aber diese Stossrichtung ist falsch.»
Andere Bürgerliche bliesen ins selbe Horn. In insgesamt zehn interfraktionellen Planungserklärungen forderten SVP, CVP, BDP und FDP Abänderungen oder Streichungen. Besonders sauer stiess ihnen auf, dass die Stadt gemeinnützigen Trägerschaften für Bauvorhaben Darlehen und Bürgschaften mit bis zu 95 Prozent der Anlagekosten gewährt.
«Wenn Private Wohneigentum erwerben wollen, kriegen sie von Banken Darlehen mit 80 Prozent», sagte Barbara Freiburghaus (FDP). Die Stadt sollte nicht Bank spielen und den Privatmarkt dermassen überbieten dürfen, fanden die bürgerlichen Parteien. Sie forderten daher in der Planungserklärung für städtische Darlehen eine Beschränkung auf maximal 85 Prozent der Anlagekosten.
Knackpunkt Mietkriterien
Ein weiterer Kritikpunkt betraf die 1000 Wohnungen, welche die Stadt nach gewissen Kriterien vergeben will – die sogenannten GüWR-Wohnungen. Gleich in mehreren Planungserklärungen forderten die bürgerlichen Parteien, dass die Stadt sicherstellen müsse, dass diese Wohnungen von Personen bewohnt würden, welche die Kriterien auch erfüllten. Falls dies nicht oder nicht mehr der Fall sei, so seien die Mietverträge zeitnah zu kündigen.
Ein solches Vorhaben könne er nicht unterstützen, sagte Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL). «Wir dürfen Menschen nicht von heute auf morgen aus ihrer Wohnung werfen, weil sie die Kriterien nicht mehr erfüllen.» Ein Wegzug aus Wohnung und Quartier könne sehr belastend sein.
Ausserdem: «Wenn jemand die Bedingungen nicht mehr erfüllt, bedeutet dies, dass es ihm wirtschaftlich besser geht», schoss der Stadtpräsident. Und wenn das der Fall sei, dann würde der Mieter einfach den normalen Mietzins bezahlen.
Am Ende folgte eine Machtdemonstration der rot-grünen Parlamentsmehrheit: 9 von 10 der bürgerlichen Planungserklärungen wurden abgelehnt. Die Wohnstrategie wurde mit 40 zu 18 Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen.
SDA/Benjamin Bitoun
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