Bern, Hauptstadt der Glücklichen?
Die Menschen in der Stadt Bern sollen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft und sozialer Schicht, Wünsche äussern und sich öffentliche Räume aneignen. Im ÖV, auf dem Velo, zu Fuss. Kann man so viel Glück verordnen?

Glücklicher sein als in Bern? Darf man sich eigentlich gar nicht vorstellen. «Bern ist eine fantastische Stadt, aber da liegt noch mehr drin», sagte Franziska Teuscher (GB), Direktorin für Bildung, Soziales und Sport, am Dienstag bei der Präsentation der zehn gemeinderätlichen Ziele für die vierjährige Legislatur.
Besser hätte man das politische Leitmotiv der rot-grünen Stadtregierung nicht auf den Punkt bringen können: Dem Wunsch an ein besseres Leben sind keine Grenzen gesetzt. Nicht in Bern, der Hauptstadt der Lebensqualität.
Bern ist eine fantastische Stadt, aber da liegt noch mehr drin.
Nur noch ein paar politische Pedaltritte entfernt ist Bern davon, zur unbestrittenen Velohauptstadt der Schweiz zu werden. Im Frühjahr 2018 soll das mit Abstand grösste Veloausleihsystem des Landes den Betrieb aufnehmen (obschon Bern bekanntlich bei weitem nicht die grösste Stadt der Schweiz ist).
Doch die grosse Promotorin der grossen Velooffensive, Gemeinderätin Ursula Wyss (SP), lanciert bereits die nächste grosse Offensive: zur Aneignung des öffentlichen Raums. «Merkt euch bitte das Wort Aneignung», mahnte sie am Dienstag. Check! Hauptstadt der Beteiligung!
Strassen, Gassen, Plätze zum «erweiterten Wohnzimmer der Stadtbevölkerung» machen, das strebt Ursula Wyss an. Und auch der einzige noch überlebende Bürgerliche in der Regierung, Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP), freut sich über das Leben unter freiem Himmel.
Die Bewohner sollen ihre Ansprüche an den Aussenraum ausdrücken, sie sollen Verantwortung übernehmen, auf Strassen und Plätzen Experimente wagen und Konflikte riskieren, und es ist die Stadt, die sie auf diesem Weg unterstützt, coacht. Respektive: Ihnen zum Glück verhelfen will.
Vor dem geistigen Auge sieht man im rot-grünen Bern der Zukunft also die Mediterranisierung hinausschwappen in die Quartiere, wo der wachsenden Bevölkerung reihenweise Grünflächen und Begegnungszonen übergeben werden, die Nauses Direktion mit energieeffizienter Beleuchtung ausstattet.
Man trifft sich an runden Tischen zur Partizipation, vielsprachig übersetzt, damit sicher niemand benachteiligt wird. Rundherum leben engagierte, sensible Menschen, die sich beteiligen am Quartieralltag, den Abfall trennen, ihren Kompost pflegen, ihr Auto teilen, für die Mittagspause das Mehrweggeschirr mitnehmen und über Nacht den WLAN-Router ausschalten.
Bern hat das Energiestadtlabel und das Fair-Trade-Label, und es ist keine Frage, dass man dem Rainbow-Cities-Network beitreten will, das die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Intersex- und Transmenschen fördert. Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt, sagt Stapi Alec von Graffenried (GFL), «sollen sicher sein, nicht zu den Verlierern zu gehören». High five! Hauptstadt der Verschonten!
Hauptstadt der Sorglosen? Das Wort Wirtschaft kommt in den rot-grünen Legislaturzielen nur am Rande vor, und es ist die schon fast skurrile Rolle von Finanzdirektor Michael Aebersold (SP), einem gestandenen Linken, unter dem entspannten Gelächter seiner Regierungskollegen den legendären Warnfinger des Säckelmeisters zu heben.
Auf rund neun Millionen Franken bezifferte er die Zusatzkosten, die entstehen würden, wenn die Legislaturziele samt und sonders umgesetzt würden. Natürlich müssten die Zusatzwünsche im ordentlichen Budgetprozess politisch diskutiert werden, betonte er. Braucht es das alles? Wollen es die Leute wirklich? Die rot-grüne Mehrheit hat es in der Hand. Hauptstadt der Glücklichen!
Die Legislaturziele2017 bis 2020 sind im Internet unter www.bern.ch im Detail zu finden.
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