Berlusconis plötzliche Ohnmacht Berlusconis neue Ohnmacht
Italiens Premier handelt nach dem Bruch mit Gianfranco Fini konfus. Wedelt mal mit dem Olivenzweig, mal mit dem Schlagstock – und droht selbst dem Staatspräsidenten mit Massenprotesten.Italiens Premier handelt seit dem Bruch mit Fini zunehmend konfus. Er droht mit Massenprotesten und versucht zugleich, Abtrünnige zurückzugewinnen.
Von Oliver Meiler, Rom Kein Tag ohne Strategiewechsel, keiner ohne neue Prognosen und niedere Böswilligkeiten in den Zeitungen. Selten war der August in Italien politisch bewegter als dieser. Selbst Ferragosto, das Volksfest zum 15. August, das auf Kaiser Augustus zurückgeht und jeweils alles stilllegt, bot heuer keine Auszeit. Die zwei Fragen, die alle umtreiben, gehen so: Wann stürzt Silvio Berlusconi? Und was passiert dann? Die Sonntagsblätter zeigten Italiens Ministerpräsidenten beim obligaten Verzehr eines Gelato in Porto Rotondo, seiner sardischen Sommerresidenz. Und all jenen, die es hören wollten, sagte er: «Ich bleibe hart. Ich bin gelassen. Wir machen weiter.» Doch Gelassenheit fühlt sich anders an. Seit er mit seinem langjährigen Verbündeten Gianfranco Fini, dem postfaschistischen Präsidenten der Abgeordnetenkammer, gebrochen hat, der 34 Deputierte mit in die Dissidenz nahm, agiert Berlusconi nervös und konfus. Als versuche er den Denk- und Rechenfehler, der ihn zum finalen Zerwürfnis mit Fini verleitete, verzweifelt zu korrigieren. Als sei er sich erst spät bewusst geworden, dass er die Geschicke der Legislatur nun plötzlich nicht mehr alleine steuern kann. Ohne die «Finiani» fehlt ihm ein Dutzend Abgeordnete zur Mehrheit. Er kann jederzeit stürzen, schon bei der nächsten Abstimmung im Parlament. Das Überleben der Regierung hängt also vom Wohlwollen seines neuen Rivalen ab. Und das Wohlwollen Finis schwindet mit jedem Tag etwas mehr. An eine Versöhnung der beiden glaubt niemand mehr. «Millionen» auf der Strasse Wenn Berlusconi also bald stürzen sollte, dann fragt sich, was Staatspräsident Giorgio Napolitano unternehmen wird. Der italienische Staatschef hat in Zeiten ordentlich funktionierender Regierungen nur wenig operative Macht. Doch wenn Regierungen in Krisen geraten, dann liegt alle Macht bei ihm – zum grossen Leidwesen Berlusconis. Napolitano könnte die Parlamentskammern auflösen und vorgezogene Neuwahlen ansetzen. Dieses Szenario gefiele Berlusconi am besten, weil er sich ausrechnet, dass alle seine Gegner, linke wie rechte, noch nicht bereit wären für einen Urnengang. Doch Napolitano hält die Option im herrschenden politischen Klima für problematisch. In einem Interview gab er zu verstehen, dass er es vorziehen würde, wenn eine Übergangsregierung das Land mit ruhiger Hand durch die Wirtschaftskrise führen würde. In diesem Szenario, das auch die Linke und das Zentrum favorisieren, die zu allen möglichen Bündnissen bereit wären, wäre Berlusconis Karriereende endgültig eingeläutet. Und er könnte nichts dagegen tun. Das ist seine Furcht. Darum droht der Premier nun zusammen mit Umberto Bossi von der Lega Nord, seinem nunmehr einzigen Bündnispartner, mit der Mobilisierung der Piazza, falls Napolitano den «Volkswillen» mit einer Regierung von Technikern umstossen sollte. Im Norden würden «Millionen» auf die Strasse gehen, sagte Bossi am Wochenende. Nur: Lässt sich Napolitano auf diese Art einschüchtern? Der 85-jährige Präsident, ein früherer Kommunist, geniesst fast ungeteiltes Ansehen bei den Italienern. Er gilt trotz seiner politischen Herkunft als unparteiisch und unbestechlich. Auf ein Entgegenkommen Napolitanos kann der Premierminister also nicht zählen. Harzige Charmeoffensive Und so schwankt er jetzt zwischen der Versuchung, die «Finiani» mit unanständigen Angeboten zurückzulocken, und derjenigen, sie mit der Macht seiner Medien zu bestrafen. Die Charmeoffensive scheint harzig: Nur einige wenige lassen um sich buhlen. Und so prügeln die Zeitungen aus Berlusconis direktem Einflussbereich, «Libero» und «Il Giornale», jeden Morgen auf Fini ein. Sie publizieren immer neue Details aus der dubiosen Geschichte um eine kleine Wohnung in Monte Carlo, die einst eine Contessa den Postfaschisten vermacht hatte, die dann über Offshorefirmen weitergereicht wurde und in der nun der mondäne Schwager Finis wohnt. Im Vergleich zu den Affären, die Berlusconi und Entourage umwehen, nimmt sich die Immobiliengeschichte niedlich aus. Doch da Fini seinen früheren Mentor gerne auf dem Gebiet der Legalität und der Moral vorführen würde, schadet sie ihm über die Massen. Die «Finiani» werfen Berlusconi vor, er benutze Informationen der Geheimdienste. Er reiche sie seinen Medien zeitgerecht weiter, damit diese seine Gegner mit episodenreichen Kampagnen bekämpfen und miesmachen können. Sogenannte Dossiers tauchen immer dann auf, wenn Politiker die Allmacht des Chefs hinterfragen. Es geht um sexuelle Schwächen, kleine Vergehen, aussereheliche Sünden. Viel ist selten dran. Doch wenn die Geschichten erst einmal im Umlauf sind, dann ist der Ruf der Betroffenen meist nachhaltig geschädigt. Die Methode hat mittlerweile System. Als der Christdemokrat Marco Follini vor einigen Jahren mit dem Gedanken spielte, die Regierung zu verlassen, sagte Berlusconi zu ihm: «Meine Medien haben dich bisher in Ruhe gelassen, ja? Schau zu, dass sich das nicht schnell ändert.» Follini liess sich nicht einschüchtern. Auch Gianfranco Fini lässt sich bisher nicht beirren. Er macht Ferien im toskanischen Ansedonia, zeigt sich jeden Tag am Strand. Und schweigt über seine Absichten. Silvio Berlusconi mit einem seiner Enkelkinder auf Sardinien. Foto: EPA/Keystone
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