Berlusconis Abgeordnete zum Rücktritt bereit
Die italienische Koalitionspartei PdL will eine Reform der Justiz durchdrücken – oder Neuwahlen anstreben. Die Abgeordneten haben bereits vorsorglich ihre Rücktrittsgesuche eingereicht.

Italien schlittert immer mehr in eine Regierungskrise. Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat nach seiner ersten rechtskräftigen Verurteilung vor Abgeordneten seiner Partei mit Neuwahlen gedroht. Die Abgeordneten der rechtsgerichteten Partei Volk der Freiheit (PdL) wollen zurücktreten, wenn die Koalitionspartner nicht auf seine Forderung einer Justizreform eingeht. Die PdL-Parlamentarier hätten ihren jeweiligen Fraktionschefs in beiden Parlamentskammern bereits ihre Rücktrittsgesuche übermittelt, berichteten italienische Medien heute Abend.
Die PdL ist Bestandteil der derzeitigen Regierungskoalition unter Ministerpräsident Enrico Letta, die damit massiv unter Druck geriet. Die PdL-Abgeordneten fassten ihren Beschluss den Angaben zufolge bei einem Treffen in Rom. Dabei wurde Berlusconi nach Berichten von Teilnehmern mit stehenden Ovationen begrüsst.
Der frühere Regierungschef seinerseits habe erklärt: «Wir dürfen uns nicht der Aufgabe einer wirklichen Justizreform entziehen und deshalb sind wir bereit für Neuwahlen.» Die PdL-Fraktionschefs von Abgeordnetenhaus und Senat kündigten ihrerseits den Angaben zufolge an, mit den Rücktrittserklärungen zu Präsident Giorgio Napolitano zu gehen und «eine Rückkehr zur Gerechtigkeit» zu fordern.
Ermahnungen Lettas und Napolitanos
Bevor die Rücktrittsgesuche der PdL-Abgeordneten bekannt wurden hatte der derzeitige Regierungschef Enrico Letta noch einen Appell an ihre Adresse gerichtet. «Ich bin überzeugt, dass wir uns in einer Situation befinden, in der jeder Verantwortung zum Besten des Landes übernehmen muss», sagte er.
Er und Präsident Giorgio Napolitano hatten bereits fast wortgleich gemahnt, die Interessen den Landes müssten über diejenigen der Parteien gestellt werden. Letta plädierte für Zusammenhalt in der Koalition, denn er werde nicht um jeden Preis weiterregieren, sollte er feststellen, dass der interne Zusammenhalt nicht mehr vorhanden sei.
Die Verurteilung Berlusconis versetzt Lettas Demokratische Partei (PD) in Verlegenheit. Stimmen werden in der sozialdemokratischen Partei laut, das Bündnis mit Berlusconi zu beenden. Viele Linkspolitiker haben eine Zusammenarbeit mit Berlusconis konservativer Partei Volk der Freiheit (PdL) ausgeschlossen, wenn diese fortan von einem verurteilten Steuerbetrüger geführt würde.
Pass-Entzug für Berlusconi
Berlusconi bekommt die Auswirkungen seiner definitiven Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs sofort zu spüren. Schon heute Freitag sollte die Polizei dem Medienunternehmer seinen Pass entziehen, um ihm eine Flucht ins Ausland zu verunmöglichen, berichteten italienische Medien. Auch Berlusconis diplomatischer Pass wird im Aussenministerium abgegeben werden müssen.
Der Kassationsgerichtshof in Rom hatte am Donnerstagabend letztinstanzlich eine auf zwölf Monate reduzierte Haftstrafe wegen Steuerbetrugs gegen Berlusconi bestätigt. Ein fünfjähriges Ämterverbot verwies er aber zur Neuverhandlung an ein Berufungsgericht zurück. In dem Prozess ging es um Berlusconis Medienkonzern Mediaset. Das Unternehmen soll Schwarzgeldkonten im Ausland unterhalten und Preise für Filmübertragungsrechte künstlich in die Höhe getrieben haben. Der Anklage zufolge erwarben Scheinfirmen die Rechte und verkauften sie an Mediaset zurück. Dem Fiskus sollen dadurch sieben Millionen Euro entgangen sein. Berlusconi wusste nach Überzeugung des Gerichts Bescheid.
Aufhebung der Immunität könnte Monate dauern
Ob Berlusconi entsprechend der italienischen Gesetze das Jahr Haft unter Hausarrest verbringen oder mit gemeinnütziger Arbeit ableisten muss, liess der Kassationsgerichtshof offen. Zuvor müsste ohnehin seine parlamentarische Immunität aufgehoben werden. Und die Senatsabstimmung dazu könnte sich noch Wochen oder Monate hinziehen – unabhängig davon, ob das Ämterverbot bestätigt wird.
Berlusconi selbst wandte sich nach dem Urteilsspruch in einer vom Fernsehen ausgestrahlten Videobotschaft an seine Landsleute. «Am Ende meiner Karriere wird der 20-jährige Einsatz für dieses Land mit Beschuldigungen und einem Urteil belohnt, das jeder Grundlage entbehrt», schimpfte der verbittert wirkende Politiker.
AFP/sda/rub
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