Freiraum für FreigeisterDeshalb ist Biel das speziellste Team der Liga
Beim EHC Biel ist vieles nicht normal: Wie der Kalifornier Oliver David Assistenztrainer wurde, passt zu den eigenwilligen Wegen, die die Seeländer häufig gehen.

Der EHC Biel ist die etwas andere Mannschaft. Nirgendwo in der Liga findet sich solch eine Ansammlung von eigenwilligen routinierten Kreativspielern mit starken Persönlichkeiten. Um all die begabten Freigeister zum Team zu formen, braucht es bei der Führung besondere empathische Fähigkeiten, braucht es Freiraum. Braucht es einen Trainer wie Antti Törmänen, der auch in seiner finnischen Heimat nicht als «normal» gilt.
Nicht alltäglich ist auch, wer seit dieser Saison Törmänens Assistent ist und vor allem wie die Zusammenarbeit zustande kam. Oliver David heisst er, es ist für keinen Schweizer Eishockeyfan eine Schande, wenn er noch nie etwas vom 43-jährigen Amerikaner gehört hat. David coachte ab 2009 im US-Nachwuchshockey in Dubuque (westlich von Chicago) und Soldotna, einem abgelegenen Städtchen auf einer Halbinsel in Alaska.
Üblich ist, wenn der Headcoach seine Assistenten schon ewig kennt oder diese bei seiner Anstellung mitnimmt. Törmänen und David kannten sich vor ein paar Monaten noch nicht. Aber David kannte seinen Vorgänger in Biel, den Schweden Anders Olsson. Auch speziell: Die beiden sind zwar gute Kollegen, haben sich aber noch nie getroffen.
Corona brachte sie zusammen – online: Davids Sportchef in Dubuque spielte einst unter Olsson. In gemeinsamen Zoom-Calls nach den 2020 weltweit abgebrochenen Meisterschaften kamen sie auf die Idee, den ganzen Sommer Video-Chats mit Trainern und Sportchefs aus aller Welt zu organisieren – nebst Leuten aus klassischen Hockeyländern nahm auch ein Trainer aus Polen teil. Jeder bot aus seinem Netzwerk Bekannte auf, die dann ihre Arbeit in der Eishockey-Welt präsentierten.
Eine gänzlich neue Aufgabe
Durch Olsson lernte David Törmänen kennen. Als des Schwedens Abgang aus Biel Ende letzte Saison feststand, rief David den Finnen an, die beiden plauderten über ihre Vorstellungen vom Coaching. Dann meldete sich Biels Sportchef Martin Steinegger bei David, die beiden telefonierten während gut vier Wochen über ein Dutzend Mal, der Diskussionsstoff ging nie aus, irgendwann stand eine Zusammenarbeit im Raum.
Und so landete David in Biel. Er, der sich in Dubuque als Headcoach von 16- bis 20-Jährigen vorwiegend um Stürmer und Powerplay kümmerte, tut im Seeland bei seinem ersten Job in einem Profiteam das Gegenteil davon: Sein Bereich sind die Verteidiger und das Penalty Killing. Und das ausgerechnet in Biel. Womit wir wieder bei der etwas anderen Mannschaft wären.
Die besonderen Typen, die Nonkonformisten in Biel, eigenwillig und charakterstark, finden sich nebst Stürmern wie Damien Brunner oder Luca Cunti nämlich vorwiegend in der Abwehr: Beat Forster, Robin Grossmann, Noah Schneeberger, Yannick Rathgeb, die Liste liesse sich verlängern. David, darauf angesprochen, lacht und sagt: «Wir sind wirklich eine spezielle Ansammlung von unterschiedlichen Persönlichkeiten und Backgrounds.» Und mittendrin er, der Kalifornier aus Los Angeles. «Kalifornier», betont David, «das ist vielleicht noch spezieller als ein Amerikaner aus Orten mit viel Hockey-Background wie Minnesota oder Michigan.»
Mit Frau, Kindern und Hündin
David merkte in Biel sofort, dass er in einem nicht alltäglichen Club-Alltag gelandet ist. «Es ist nicht normal, und schon gar nicht im Profisport, wie sehr ich mit offenen Armen empfangen wurde und mich sofort einbringen konnte. Wie ungezwungen wir alle miteinander reden, wie auch mir so viele Freiheiten gewährt werden. Welch offene Atmosphäre Martin und Antti hier kreiert haben.»
David ist noch immer in der Lernphase. «Es ist für mich nicht alles einfach hier», sagt er. Die Sprachen im bilingualen Biel, die er nicht spricht, das mit US-Metropolen nicht zu vergleichende Leben in einer Schweizer Kleinstadt. Ehefrau, Sohn (6) und Tochter (5) sind mitgekommen, auch Hündin Maymay. Diese holte David in Alaska aus einem Tierheim, sie war dort ein Problemfall, war ausgebüxt, biss zu, wurde wieder eingefangen.
Davids Lernen bezieht sich nicht nur auf die privaten Bereiche. Er verneint nicht, mit welch speziellen Charakteren er es in seinem Team zu tun hat, wie sehr er aber die Arbeit und die vielen Gespräche mit Spielern wie Grossmann oder Forster schätze. «Ich will viel geben, aber auch viel lernen», sagt David. Bis jetzt klappt das ganz gut. Biel ist im Hoch, trotz vieler verletzter Schlüsselspieler. Mit diesem nicht ganz «normalen» Team. Mit dem nicht ganz «normalen» Assistenzcoach aus Kalifornien.
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