«Bei konkreten Massnahmen schrecken die Clubs zurück»
Morgen trifft der FC Thun auf Basel. Zusätzliche Auflagen gibt es nicht – im Gegensatz zum Derby im Dezember 2016. Damals wurde der YB-Fanwalk verboten. Wie geht es weiter? Thuns Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler nimmt Stellung.

Vor dem letzten Derby zwischen dem FC Thun und den Berner Young Boys am 11. Dezember 2016 hat die Stadt Thun den YB-Fanwalk verboten – die Supporter setzten sich darüber hinweg. Was bringt ein Fanmarschverbot, das nicht durchgesetzt werden kann?Peter Siegenthaler:Das Fanmarschverbot war ganz klar eine Reaktion auf die Ausschreitungen bei der letzten Begegnung zwischen Thun und YB im Mai 2016. Einfach nichts zu tun, war keine Option. Uns war natürlich bewusst, dass es schwierig sein wird, das Verbot durchzusetzen – beziehungsweise was für ein Polizeiaufgebot dafür nötig gewesen wäre. Gleichzeitig lief in der Innenstadt der Sonntagsverkauf. Teil der Taktik war deshalb: Wenn die YB-Fans trotz Verbot loslaufen, lassen wir sie gehen, aber wir begleiten sie nicht.
Was hat die Analyse nach dem Matchtag ergeben? War es die richtige Taktik? Es gab auf dem Fanwalk die übliche Kleberei und Pinklerei – das gehört offenbar zur Fankultur dazu, was für mich schwer verständlich ist. Aber sonst kam es zu keinen weiteren Vorfällen. Der Entscheid, den Fanmarsch in Abwägung aller Fakten nicht zu verhindern, war verhältnismässig. Auch wenn man das Aggressionspotenzial berücksichtigt.
Trotzdem: Dass man die Fans einfach machen lässt, wenn sie sich nicht an die Auflagen der Stadt halten, klingt nach Kapitulation... Schauen Sie, wir pflegen mit fast allen Clubs das Gespräch, die Kooperation funktioniert einigermassen. Bei der Konstellation Thun gegen YB ist das anders. Die Kooperationsbereitschaft fehlt. Bei jeder Auflage kommt bei den Clubs die stereotype Reaktion: «Das bringt nichts.»
Können Sie ein Beispiel nennen? Wir haben den Vorschlag gemacht, dass die YB-Fans von Bern aus direkt mit Cars zur Stockhorn-Arena gebracht werden. Ich bin überzeugt: Wenn der Wille da ist, ist das machbar.
Aber? Der Vorschlag wurde von YB-Seite verworfen. Es heisst immer: «Provoziert die Fans ja nicht, macht keine zusätzlichen Massnahmen, pflegt den Dialog.» Nach so vielen Jahren und so vielen Dialogen vermisse ich explizit den Willen, dass Massnahmen von Behörden gemeinsam mit den Clubverantwortlichen und der Liga durchgesetzt werden. Schöngeredet wird viel, aber bei konkreten Massnahmen schrecken die Clubs zurück.
«Bei jeder Auflage kommt bei den Clubs die stereotype Reaktion: ‹Das bringt nichts.›»
Also bleibt nur die Kapitulation? Wir haben vieles versucht – offenbar lässt sich das Problem nicht unmittelbar und nachhaltig lösen. Da kann man sich nach all den Gesprächen und den ganzen Anstrengungen der Polizei durchaus überlegen, einfach mal den Aufwand zu minimieren.
Was bedeutet das für das nächste Derby in der Stockhorn-Arena? Die Fans haben gegen eine klare Auflage verstossen, die wir gemacht haben. Was das für die nächste Partie bedeutet, wissen wir noch nicht. Es gibt wieder Gespräche mit der Polizei und den YB-Fanverantwortlichen.
Viele Möglichkeiten bleiben Ihnen nicht mehr... Wenn man konsequent sein will, ist die nächste Stufe nach dem Fanwalk-Verbot klar: Der Gästesektor wird geschlossen.
Überlegen Sie sich das? Dazu äussere ich mich zum jetzigen Zeitpunkt explizit nicht. Die Folgen einer solchen Massnahme politisch auszuhalten, wäre das eine. Aber es gilt zum Beispiel auch die wirtschaftliche Situation des FC Thun zu berücksichtigen. Und eigentlich möchte ich den Glauben noch ein bisschen behalten, dass es möglich ist, Fussballspiele ohne ein riesiges Polizeiaufgebot durchzuführen. Auch wenn es gerade jetzt wieder Beispiele gibt, die eine andere Sprache sprechen.
Woran denken Sie? Vor dem Spiel YB gegen Sion vom letzten Sonntag weigerten sich die Sion-Fans, einen Extrazug zu benutzen. Oder schauen Sie, was im Ausland passiert: Der Hass auf den Spruchbändern beim Spiel Dortmund gegen Leipzig – es ist unglaublich, was da alles toleriert wird. Einige Fans waren absolut hemmungs- und skrupellos. Da werden Grenzen überschritten, wie ich es ausser im Fussball im sportlichen Bereich nirgends sonst feststelle. Nehmen wir den Handball, eine hochemotionale Sportart: Da ist keine Rede von Ausschreitungen. Ich möchte aber nochmals betonen, dass es auch beim Fussball etwa drei Prozent der Fans sind, die Probleme machen – der grosse Rest verhält sich korrekt.
Ob es für das nächste Derby Auflagen gibt, ist also noch unklar. Wie sieht es mit den anderen Spielen aus? Morgen Samstag ist ja der FC Basel zu Gast in der Stockhorn-Arena. Ausser dem Derby sind alle Spiele bei der Risikobeurteilung im grünen oder im gelben Bereich. Das heisst, es gibt keine zusätzlichen Auflagen.
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