Begeistert empfangen, brillant gespielt
Roger Federer geniesst in Paris die Aufmerksamkeit und die Aussenseiterrolle. Beim ersten Auftritt in Roland Garros seit 2015 hinterlässt er einen bestechenden Eindruck.
Das Vorgeplänkel ist vorbei. Um 14.41 Uhr ist der Moment gekommen, auf den alle gewartet haben: Roger Federer betritt in Paris mit einem Buben an der Hand kurz nach Gegner Lorenzo Sonego den Centre-Court. Die Tribünen sind schon gut gefüllt, der Applaus für den Schweizer fällt heftig aus. Noch während er den Schläger auspackt, sind einzelne «Roger»-Rufe zu vernehmen. In der Sonntagsausgabe hat die französische Sportzeitung «L'Équipe» die wichtigsten Protagonisten vorgestellt: «Rafael Nadal, der Chef», heisst es da. Und: «Novak Djokovic, der Unersättliche.» Federer wird mit «der Rockstar» betitelt. In Zusammenhang mit dem 37-Jährigen sind zwar weder Drogenexzesse noch andere Eskapaden bekannt, doch von vielen wird er tatsächlich angehimmelt wie Grössen aus der Musikbranche.
Federer, der 2016 bis 2018 auf die Teilnahme am French Open verzichtet hat, ist überall Publikumsliebling, doch in diesen Tagen generiert er noch einen Hauch mehr Aufmerksamkeit als sonst. Schon am Samstag im Training habe er gespürt, dass die Atmosphäre anders sei als an anderen Turnieren, wird er später erzählen. «Und als ich am Morgen auf die Anlage kam, merkte ich: Es ist viel los.»
Im Fokus der Kameras
Kurz nach 10 Uhr liess ein Reporter eines US-Fernsehsenders einen Ballwurf vom Court Philippe Chatrier entfernt die Anmoderation für die erste Einschaltung vom French Open filmen. Der Amerikaner thematisierte nicht etwa Serena oder Venus Williams. Einen blauen Anzug tragend, sprach er ins Mikrofon: «Es kommt nicht oft vor, dass Roger Federer als Aussenseiter in ein Grand-Slam-Turnier steigt, aber das ist diesmal ganz klar der Fall.»
Schon um 11.15 Uhr waren die kleinen Tribünen von Court 5 voll besetzt. Vor den Eingängen hatten sich Menschentrauben gebildet. Als Federer dann, abgeschirmt von zwei Sicherheitskräften, mit seinem Team erschien, wurden unzählige Mobiltelefone in die Höhe gestreckt. Jede und jeder wollte einen Schnappschuss vom Superstar knipsen. Als sich Federer mit Henri Laaksonen einschlug, herrschte andächtige Stille, die fast nur durch Stöhnlaute vom Nebenplatz unterbrochen wurde. Auf Court 4 trainierte Rafael Nadal mit Dusan Lajovic, und der Spanier agierte mit einer Intensität, als stünde die Finalteilnahme auf dem Spiel.
Derweil schlug Federer im schwarzen T-Shirt mit grüner Faust auf der Brust die Bälle, lautlos und fast fehlerfrei übers Netz. Nach einer knappen halben Stunde hatte er für all seine Schläge das gewünschte Gefühl gefunden. Der Rückweg zum Garderobentrakt musste ihm durch die Menschenmassen gebahnt werden.
Mit ihm geht das Publikum
Als der Match beginnt, spielt Federer, als hätte er das French Open nie ausgelassen. Er beginnt gleich mit einem Break und düpiert Sonego in der Folge anderthalb Sätze lang auf jede erdenkliche Art – von Serve-and-Volley bis zum Rückhand-Return-Stoppball ist alles dabei. Dann nimmt er den Fuss vom Gaspedal, und doch wird im dritten Satz den Zuschauern bewusst, dass die Show nach ihrem Geschmack zu früh zu Ende sein wird. Also wird der tapfer kämpfende Italiener aufgemuntert. Am Ende setzt sich Federer in 101 Minuten 6:2, 6:4, 6:4 durch. Und Ex-Profi Cédric Pioline beginnt das Interview auf dem Court mit den Worten «Roger, bravo!» Als der Baselbieter den Besuchern für den «grossartigen Empfang» dankt, brandet nochmals tosender Applaus auf. Dann macht der Rockstar einen Abgang – und mit ihm die Mehrheit des Publikums. Als Karolina Pliskova, die Nummer 2 des Frauenturniers, ihre Erstrundenpartie bestreitet, sind die Tribünen fast leer.
An der Pressekonferenz sagt Federer, die Zuschauer hätten ihn vermisst, und er habe sie vermisst. Er geniesst die Sympathiebekundungen der Fans und erfreut sich für einmal an der Aussenseiterrolle. «Du bist etwas entspannter, kannst die Matches, die du gewinnst, mehr geniessen.» Er denke noch nicht an die zweite Woche. Die Erwartungen seien von seiner Seite sicher nicht riesig, aber er wolle die Chance packen, wenn sie sich präsentiere. «Würde ich das in Wimbledon sagen, mir würde niemand glauben.» In der Tat.
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