Kolumne «Bern & so»Bauchgefühl
Über unschöne Vorahnungen während der Thai-Massage.
Ich drückte meinen Kopf in das Loch oben in der Massageliege und starrte auf die Lotusblüte, die darunter befestigt war. Es war an einem Montag vor ein paar Wochen, ich hatte gerade einen Umzug hinter mir, und meine Muskeln sehnten sich nach etwas liebevoller Zuwendung.
Es war wohl aber auch eine Vorahnung, eines dieser untrüglichen Bauchgefühle, die mich in meinen Lieblings-Thai-Massage-Salon im Zentrum von Biel trieben; spontan, ohne Voranmeldung, streckte ich dort alle viere von mir, um nochmals richtig durchzuatmen:
– bevor Corona uns erneut in Masken und vom Vergnügen weg in die eigenen vier Wände zwang;
– bevor das Leben bereits hinter der nächsten Ecke mit viel schwereren Paketen auf uns wartete, als wir beim Umzug zu schleppen hatten;
– bevor sich nach langer Abwesenheit im nahen Umfeld der Tod wieder blicken liess.
Zum Glück weiss man ja nie, was einen im Leben als Nächstes erwartet. Und dieses Leben fand jetzt sowieso für 60 Minuten woanders statt. Die Lotusblüte verlor langsam an Kontur, mein Hirn auch, der Lärm vor dem Fenster wurde leiser, als mich eine zierliche Frau in warme, weisse Tücher packte und sich von unten nach oben knetete.
Zu vollem Bewusstsein kam ich erst wieder, als unten in der Einkaufsstrasse ein Kind schrie. Ich fühlte mich wie neugeboren, mein aufgeweichter Körper nahm langsam wieder Gestalt an. Ich richtete mich auf, blickte in den trüben Herbsthimmel, nichts ahnend und doch vorahnend.
«Alles gemütlich bei Ihnen?», fragte mich die freundliche, zierliche Frau. Jep, alles gemütlich, danke.
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