Letzte Chance genutzt
Beide Seiten des Atomstreits haben offensichtlich begriffen, dass das «window of opportunity» so weit offen steht wie noch nie.
Man hat es also doch noch geschafft in Lausanne: Nach tage- und nächtelangen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm haben sich die UNO-Vetomächte und Deutschland mit dem Regime in Teheran auf einen Kompromiss geeinigt. Zentral ist, dass der Iran in den kommenden zehn Jahren die Anreicherung von Uran und die Forschung daran so weit eingeschränkt, dass man ein Jahr bräuchte, um eine Atombombe zu bauen.
Im Gegenzug heben die USA, die UNO und die Europäische Union alle Sanktionen auf, die wegen des Atomprogramms gegen den Iran verhängt worden sind. Aber erst, wenn Teheran die Auflagen des Lausanner Deals erfüllt hat. Doch damit kann der Iran wieder Anschluss finden an die Weltwirtschaft. Kaum nachvollziehbar bleibt, dass es 12 Jahre gebraucht hat für diese Übereinkunft. Offensichtlich stieg auf iranischer Seite die Kompromissbereitschaft erst, als man realisierte, dass man wohl nur mit einem US-Präsidenten wie Barack Obama eine Einigung erzielen kann, die auch Teheran das Gesicht wahren lässt. Doch Obamas Ära neigt sich dem Ende zu. Ob die mögliche Nachfolgerin Hillary Clinton so erpicht ist, mit dem Iran ins Geschäft zu kommen, ist fraglich. Als Aussenministerin stand sie den Atomgesprächen skeptisch gegenüber, gute diplomatische Beziehungen zu Israel sind ihr wichtiger. Ganz zu schweigen von einem Republikaner im Weissen Haus.
Andererseits realisierte man auch in der US-Delegation, dass das «window of opportunity» so weit offen steht wie noch nie. Nach dem Amtsantritt des iranischen Präsidenten Hassan Rohani im August 2013 hatte sich zuerst Ton gegenüber den USA verändert, dann die Gesprächsatmosphäre und schliesslich die Verhandlungsposition. Hätte der iranische Unterhändler, Aussenminister Jawad Sarif, erfolglos in seine Heimat zurückkehren müssen, wäre eine ähnlich gute Chance nicht so schnell wieder gekommen. Dennoch ist der Atomstreit noch nicht aus der Welt. Die Opposition gegen das Abkommen bleibt gross – in Washington wie in Teheran. Im US-Senat wird Mitte Monat ein Gesetz debattiert, mit dem sich das Abkommen mit dem Iran zurückweisen liesse – begleitet von neuen Sanktionen. US-Aussenminister Kerry, der nicht locker liess, bis man sich geeinigt hatte, signalisierte bereits am Donnerstagabend in Richtung Washington, dass er nicht naiv sei, als er sagte: «Ein endgültiger Deal wird nicht auf Versprechen basieren, sondern auf Tatbeweisen.» Und das ist das Minimum, das die Republikaner fordern, wenn sie das Abkommen im Kongress billigen sollen. Andererseits steht auch nicht fest, ob der Deal in Teheran Zustimmung finden wird. Zumal die konservativen Kräfte ihren Lieblingsfeind, den «Grossen Satan» USA verlieren könnten, wodurch ihnen ihre politische Legitimation abhanden käme. Dennoch wurde in Lausanne nach zähem und endlos scheinendem Ringen etwas erreicht, ein kleines Osterwunder fast. Und daran darf sich auch die Schweiz mitfreuen, haben doch ihre Diplomaten die Grundzüge des jetzigen Abkommens 2007 und 2008 entworfen.
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