Die Zeit des Anti-Ahmadinejad ist gekommen
Die Niederlage bei der Parlamentswahl bringt Irans Präsident in Bedrängnis. Eine Amtsenthebung ist nicht mehr undenkbar – dann könnte sein erbittertster Widersacher, Ali Larijani, triumphieren.
Wahrscheinlich weiss Mahmud Ahmadinejad selbst nicht, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Knapp eineinhalb Jahre dauert die Amtszeit des iranischen Präsidenten noch – doch mit seiner verheerenden Niederlage bei den Parlamentswahlen vom Wochenende steht der Mann der lauten Töne und starken Gesten innenpolitisch schwächer da als je zuvor.
Bereits geschieht in der Islamischen Republik noch nie Dagewesenes: Nächste Woche muss der Präsident vor der Volksversammlung antraben und Rechenschaft über seine umstrittene Wirtschaftspolitik ablegen, die zu einem starken Anstieg der Konsumentenpreise geführt hat. Ausserdem hat es Ahmadinejad gewagt, sich dem Obersten Führer Khamenei zu widersetzen, als dieser die Wiedereinsetzung eines Ministers befahl, den Ahmadinejad zuvor abgesetzt hatte – ein noch nie dagewesenes Mass an Ungehorsam gegen den Obersten Führer.
In der Hand des Obersten Führers
Das konservative Lager, die Anhänger des geistlichen Führers Ali Khamenei, haben bei dem Urnengang eine solide Dreiviertels-Mehrheit erreicht. Khamenei hat Ahmadinejad fest in der Hand – gut möglich, dass ihn sein früherer Ziehvater noch vor Ablauf seiner Amtszeit fallen lässt.
Für Ahmadinejads grössten Widersacher war der Wahltag ein Triumph. Ali Larijani, der bei der Präsidentenwahl 2005 eine Niederlage einfuhr, hat sich seither völlig zerstritten mit Ahmadinejad. Der Präsident drängte Larijani 2007 zum Rücktritt von seinem Posten als Chefunterhändler in den Atomgesprächen – eine Demütigung sondergleichen für den Sprössling einer der einflussreichsten Familien Irans.
Das Gegenteil von Ahmadinejad
Kein iranischer Politiker vor Ahmadinejad, der aus der Arbeiterschicht stammt und sich immer als deren Vertreter sah, zeigte so viel populistischen Instinkt, keiner tourte wie er durch die Provinzen und Dörfer. In seinen Reden frönt er einem polternden Nationalismus.
Larijani ist in mehrfacher Hinsicht das Gegenteil von ihm, erscheint als Feingeist – wenn auch als streng religiöser und erzkonservativer. Als Sohn eines Grossayatollahs entstammt er den höchsten Kreisen der iranischen Elite. Auch seine Frau ist die Tochter eines Geistlichen, der als Vordenker der islamischen Revolution gilt.
Die Härteste der harten Linien
Larijani gilt zwar als höflich im Ton – seine Umgangsformen dürften im Westen besser ankommen als Ahmadinejads martialische Rhetorik. Doch in der Sache vertritt Larijani die Härteste der harten Linien. Das Ahmadinejad-Lager hat sich über die Jahre mit einem aggressiven Nationalismus hervorgetan und versucht, die Machtverhältnisse im Gottesstaat weg von den Mullahs hin zur Regierung zu verschieben.
Ayatollah Khameneis Antwort auf diesen schleichenden Putschversuch heisst Ali Larijani. Er ist die erste Wahl für die Nachfolge Ahmadinejads. Sollte sich Ahmadinejads Lage verschlechtern und das Parlament ihn gar des Amtes entheben, schlägt Larijanis Stunde früher als geplant. Im Atomstreit mit dem Westen stehen die religiösen Erzkonservativen dann noch geeinter da. Nicht weniger als das «Symbol der Würde des iranischen Volkes» soll das Atomprogramm für Larijani sein.
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