Streit um Frauenmangel bei der EZB
Der Luxemburger Yves Mersch wurde vom Europaparlament für das Direktorium der EZB abgelehnt. Die einen sprechen von einem starken Zeichen gegen das männerdominierte Gremium. Andere kritisieren den Entscheid.

Das Europaparlament hat die Ernennung des Luxemburger Notenbankchefs Yves Mersch ins Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) abgelehnt. 325 Abgeordnete stimmten gegen Mersch, 300 votierten für seine Ernennung und 49 enthielten sich der Stimme.
Das Parlament rebelliert gegen die Berufung Yves Merschs ins Direktorium der Europäischen Zentralbank - weil der Luxemburger keine Frau ist. Es war das erste Mal, dass ein designierter Kandidat in Strassburg durchrasselte.
Viele liberale, linke und grüne Abgeordnete protestierten mit ihrem Votum nicht gegen Mersch selbst, sondern gegen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre EU-Kollegen. Denn die hatten keine Frau für die von Männern beherrschte Führungsetage der Zentralbank vorgeschlagen. «Wir brauchen mehr als leere Versprechen, wenn wir das Ungleichgewicht korrigieren wollen», sagte die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Sharon Bowles (Liberale).
Merkel will den Luxemburger jetzt trotz der Ablehnung in Strassburg nach Frankfurt schicken. «Die Bundesregierung steht zum Kandidaten Mersch», hiess es auf dapd-Anfrage in Berliner Regierungskreisen. Schliesslich hätten die EU-Finanzminister den altgedienten Notenbankchef «nach sorgfältiger Abwägung» vorgeschlagen. Tatsächlich können sich die Mitgliedsländer über das Parlament hinwegsetzen, weil das nur seine nicht bindende Meinung abgeben musste. Die Entscheidung liegt beim Rat. Ein Sprecher von EU-Ratschef Herman Van Rompuy sagte der dapd, es sei noch zu früh zu sagen, ob an Mersch festgehalten werde und ob der dann wie geplant im November seinen Job antreten könnte.
«Starkes Zeichen»
Der Schaden ist angerichtet - so oder so. Der seit Ende Mai vakante Posten muss dringend besetzt werden, gerade in der tobenden Krise. Das hatte EZB-Chef Mario Draghi erst kürzlich angemahnt. Doch rückt Mersch gegen den Willen der Volksvertreter ins sechsköpfige Direktorium auf, startet er mit schwer ramponierter Legitimität. Ausserdem würde das Verhältnis zwischen Regierungen und Parlament weiter belastet. Und das könnte wichtige Gesetzesvorhaben zur Überwindung der Schuldenprobleme erschweren - bis hin zur geplanten Bankenaufsicht. Beginnt aber die Suche nach einer Kandidatin, droht noch eine monatelange Hängepartie.
Im EZB-Direktorium sitzen nur Männer. Und wegen der langen Amtszeiten wird sich daran bis 2018 auch nichts ändern - sollte Mersch schliesslich kommen. Auch im 23-köpfigen EZB-Rat, in dem zusätzlich die Zentralbankchefs der 17 Euro-Länder sitzen, ist keine einzige Frau zu finden. Die gelbe Karte aus dem Parlament sei deswegen ein «starkes Zeichen», dass die Mitgliedstaaten «die völlige Abwesenheit von Frauen in den zentralen Institutionen bei der Bewältigung der Eurokrise nicht ignorieren dürfen», sagte der Grüne Finanzexperte Sven Giegold.
oder vorgeschobene Gründe?
Mersch war schon am Montag im Wirtschaftsausschuss durchgefallen. Am Dienstag verpasste Ratschef Van Rompuy dann vor dem Plenum die Chance, die Volksvertreter doch noch davon zu überzeugen, dass sich die Regierungen in Zukunft ernsthaft für mehr Frauenpower einsetzen werden. Doch der habe nur «Lippenbekenntnisse» abgegeben, warf ihm SPD-Politiker Udo Bullmann am Donnerstag vor.
Von den konservativen Abgeordneten gibt es dagegen scharfe Kritik an den links stehenden Kollegen. «Die Gründe für die Ablehnung sind vorgeschoben», sagte CDU-Mann Werner Langen. Es sei gar nicht um den Geschlechterproporz gegangen, sondern «dass die Vertreter der Euro-Krisenstaaten keinen stabilitätsorientierten Zentralbanker wollen». Mersch gilt als geldpolitischer Falke und damit als potenzieller Verbündeter von Bundesbankchef Jens Weidmann. Langen forderte die Regierungen auf, an Mersch festzuhalten, weil er die besten fachlichen Qualifikationen habe.
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