Fillons letzter Strohhalm
Immer mehr Parteigänger fordern den konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon zum Rückzug auf. Doch der Ex-Premier gibt sich halsstarrig.

Das Herz breche ihr, erklärte die Republikanerin Nadine Morano, und doch müsse sie François Fillon aufrufen, seinen Wahlkampf einzustellen. Die Vertreterin des rechten Parteiflügels stand gestern nicht allein da. Sogar überzeugte Anhänger Fillons verlassen sein Boot und lassen den Kapitän allein auf der Titanic, wie sich Pariser Medien ausdrücken.
Gestern liess die Jugendbewegung «Les jeunes avec Fillon» ihren eigenen Kandidaten fallen. Dessen Wahlkampfsprecher und -organisator Thierry Solère kündigte via Twitter ebenfalls seinen Abgang an. Einen Grund nannte er nicht, doch der ist ohnehin klar: Fillon zieht die Konservativen mit der Scheinjobaffäre um seine Gattin Penelope immer mehr in den Abgrund.
«Die Basis hält zu mir»
Was sich da abspiele, sei geradezu «tragisch», meinte der bürgerliche Senator Hervé Marseille. Angesichts der schwachen Amtszeit des sozialistischen Präsidenten François Hollande hatte die Rechte seit Jahren fest mit dem Wiedereinzug in den Elysée-Palast gerechnet – und mit Fillon einen Kandidaten mit einem klaren Programm triumphal ins Rennen geschickt. Doch als die konservative Zeitung «Le Figaro» ihre Leser gestern fragte, ob die Rechte die Präsidentschaftswahlen noch gewinnen könne, antworteten 55 Prozent resigniert mit Nein.
Dies auch, weil sich Fillon wider jede Vernunft an seine Kandidatur klammert. Am Sonntag will er seine Anhänger auf der Place du Trocadéro in einer Grossdemonstration versammeln. «Die Basis hält zu mir», erklärte der halsstarrige Ex-Premier. «Entscheidend ist nicht die Meinung der gewählten Politiker, sondern das Volk.» Fillon stützt sich auf Umfragen, in denen er zwar Stimmen gegenüber seinen Konkurrenten Marine Le Pen (Front National) und Emmanuel Macron (Mitte) verloren, aber bisher keinen eigentlichen Einbruch verzeichnet hat.
Ohne Wahlkampfgarde und lokale Unterstützung könnte er seine Kampagne aber nicht lange fortsetzen – und der Faktor Zeit ist wichtig, findet der erste Wahlgang doch am 23. April statt. Am Freitag forderten siebzehn konservative Bürgermeister aus grösseren Städten wie Reims, Saint-Etienne oder Nancy den Rückzug Fillons. «Die Bedingungen scheinen nicht mehr erfüllt, dass unser Kandidat unser Projekt und unsere Werte verteidigen kann. Vielmehr riskieren wir eine Verlängerung der Hollande-Jahre (mit Macron, die Red.) oder die Wahl von Marine Le Pen.»
Juppé würde «nicht kneifen»
Der Vorsteher der Mittepartei UDI, Jean-Christoph Lagarde, droht Fillon ebenfalls mit dem Rückzug seiner Unterstützung. Der Juniorpartner der Republikaner muss befürchten, dass seine Wähler en masse zu Macron überlaufen, wenn Fillon im Rennen bleibt.
Der UDI-Bürgermeister des Bretagne-Städtchens Dinan hat sich bereits auf die Seite des unabhängigen Kandidaten geschlagen.
Auch deshalb zirkuliert in Paris mehr und mehr der Name von Alain Juppé als möglichem Ausweg. Der politisch gemässigte Bürgermeister von Bordeaux hat gestern durchblicken lassen, dass er «nicht kneifen» würde. Wie aus seinem Umfeld verlautete, würde er zur doppelten Bedingung machen, dass sich Fillon zurückzöge und Juppé die «einhellige» Unterstützung seiner Partei erhielte.
Der doch schon 71-jährige Republikaner hat ein ausgearbeitetes Programm und wäre deshalb in die Lage, rasch in die Lücke zu springen. Er hätte zwar das Stigma eines Ersatzmannes. In einer ersten Umfrage von Freitag kam er aber – im Unterschied zu Fillon – bereits vor Le Pen und Macron an die erste Stelle der Kandidaten zu liegen.
Justiz ermittelt weiter
Fillon, der Frankreich eine Reform- und Rosskur verpassen wollte, dürfte den Platz aber nicht so schnell räumen. Am Donnerstagabend rief er in Nîmes vor dreitausend Fans aus: «Jeden Tag, jede Stunde läuft die Maschine der Zertrümmerung, der Medienscoops und der Gerüchte gegen mich. Aber ich habe nicht die Absicht zu kuschen.» Gelingt ihm am Sonntag ein Massenauflauf in Paris, würde er daraus neuen Mut schöpfen.
Derweil bleibt die Justiz nicht untätig: Am Donnerstag nahm sie in Fillons Pariser Wohnung eine Hausdurchsuchung vor, und am 15. März muss der Kandidat vor den Untersuchungsrichter. Dieser könnte die laufenden Ermittlungen in ein formelles Strafverfahren umwandeln.
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