Briten drohen der EU mit Steuersenkung um 50 Prozent
In den EU-Austrittsverhandlungen erwägt die britische Regierung offenbar, mit der Unternehmenssteuer Druck zu machen.

Die britische Regierung denkt anscheinend darüber nach, in den Austrittsverhandlungen mit der EU im Notfall damit zu drohen, den Unternehmenssteuersatz von 20 auf 10 Prozent zu halbieren. Das berichtete die «Sunday Times» mit Bezug auf anonyme Quellen in der Regierung. Die Massnahme würde demnach angewandt, falls Brüssel danach trachtete, den Briten den Zugang zum europäischen Markt zu erschweren.
Am wichtigsten sind den Briten dabei der Zugang zum europäischen Passport-System für Finanzdienstleister – vereinfacht gesagt, eine Lizenz für Finanzfirmen für Geschäfte in der EU – und ein weitgehend freier Handel mit Europa. Die Regierung spielt mit der Angst anderer europäischer Länder, Unternehmen und Investitionen an Grossbritannien zu verlieren.
12 Prozent des BIP stehen auf dem Spiel
«Die Briten drohen mit Steuerdumping», titelt dazu die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Im Vergleich zu den 20 Prozent der Briten besteuern EU-Mitgliedsstaaten Unternehmen durchschnittlich mit 22 Prozent. In Deutschland beträgt die Steuer gar knapp 30 Prozent, in Italien 31 und in Frankreich 33 Prozent. In der Schweiz liegt die Unternehmenssteuer bei durchschnittlich knapp 18 Prozent, wobei der Steuersatz zwischen den Kantonen erheblich variiert.
Die angebliche Bereitschaft der britischen Regierung, ein so drastisches Drohmittel einzusetzen, hat wohl damit zu tun, dass die Finanzbranche für Grossbritannien eminent wichtig ist. Sie beschäftigt mehr als zwei Millionen Menschen und trägt rund zwölf Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei. Mit dem Zugang zum europäischen Finanzmarkt hält die EU zu einem grossen Teil die Zukunft eben dieser Branche in der Hand.
Ende März
In Brüssel stösst Grossbritanniens Wunsch, freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu haben, mit dem Austritt aber die Personenfreizügigkeit für EU-Bürger einschränken zu können, bislang auf scharfe Ablehnung: «Man kann nicht mit einem Fuss drinnen und mit einem Fuss draussen sein. Und mit dem Fuss, der draussen ist, alles zertrampeln, was aufgebaut wurde», meinte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vor gut zwei Wochen.
Auch am EU-Gipfel in Brüssel letzte Woche bekräftigten die Vertreter, dass sich Grossbritannien nicht die Rosinen herauspicken könne. Zudem haben die EU-Verantwortlichen in den vergangenen Wochen gebetsmühlenartig wiederholt, dass es vor dem offiziellen Antrag auf einen EU-Austritt keinerlei Verhandlungen über die Modalitäten des Brexits geben soll. Grossbritannien will das Austrittsverfahren bis Ende März kommenden Jahres einleiten. Damit startete dann eine zweijährige Frist für Austrittsverhandlungen.
Banken planen Abzug
Die Sorgen der Briten um ihren Finanzplatz sind nicht unbegründet. Der Chef der British Bankers’ Association (BBA), Anthony Browne, warnte am Samstag im «Observer», dass sich einige Grossbanken angesichts des Brexit-Votums auf einen raschen Wegzug aus Grossbritannien vorbereiten. Einige wollten das Land bereits Anfang 2017 verlassen.
Kleinere Banken schmiedeten sogar Pläne, noch vor Weihnachten abzuziehen. «Viele kleine Banken planen, die Verlagerungen vor Weihnachten zu beginnen. Bei den grösseren Banken wird damit im ersten Quartal nächsten Jahres gerechnet», sagte Browne. «Die meisten internationalen Banken haben jetzt Projekt-Teams, die sich damit beschäftigen, welche Massnahmen sie benötigen, um Kunden weiter bedienen zu können.»
«Handelsbarrieren werden uns allen schaden»
Gleichzeitig warnte der BBA-Chef, ein «harter Brexit» würde nicht nur Grossbritannien, sondern auch der Wirtschaft der verbleibenden EU-Länder Schaden zufügen. «Handelsbarrieren für Finanzdienstleistungen im Ärmelkanal zu errichten, wird uns allen schaden», so der Verbandschef.
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