«Libyen hat die neue Krise provoziert»
Italien macht Libyen mitverantwortlich für den Ansturm von Flüchtlingen aus dem Maghreb. Muammar Ghadhafi habe ein Interesse, dass auch Tausende Libyer ihr Land verlassen.
Die Unruhen in der arabischen Welt beschleunigen die Migration nach Europa. In den vergangenen Tagen haben mindestens 5000 Bootsflüchtlinge aus Nordafrika, die meisten von ihnen aus Tunesien, die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa erreicht. Und der Flüchtlingsstrom in Richtung Europa dürfte nicht versiegen, im Gegenteil. Gemäss den italienischen Behörden könnte die Zahl der Flüchtlinge auf 80'000 ansteigen. Italien ist alarmiert, aber auch die Europäische Union (EU).
Während die EU eine Mission der Grenzschutzagentur Frontex vorbereitet, kommt aus italienischen Geheimdienstkreisen die Information, dass Libyen die Flüchtlingskrise verschärft hat. Obwohl Italien und Libyen offiziell befreundete Staaten sind. «Libyen hat die neue Krise provoziert», schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» unter Berufung auf gut informierte Regierungskreise.
Unzufriedene Libyer sollen das Land verlassen
Das Regime in Tripolis hat offenbar ein Interesse, dass unzufriedene Libyer – via Tunesien – nach Italien flüchten. Dabei sollen auch professionelle Menschenschmuggler am Werk sein. Das «tunesische Fenster», so die «Repubblica», kommt dem Ghadhafi-Regime gerade recht, um das Protestpotenzial im eigenen Land zu entschärfen. Tripolis fürchtet, dass die Libyer von den erfolgreichen Demonstrationen in Tunesien und Ägypten angestachelt werden könnten. Die Befürchtungen des Regimes sind begründet.
Die Protestbewegung gegen autoritäre Regimes in der arabischen Welt hat heute erstmals Libyen erfasst. Mehrere Hundert Demonstranten gingen in der Hauptstadt Tripolis auf die Strasse, um den Rücktritt der Regierung von Revolutionsführer Muammar Ghadhafi zu fordern, wie die Nachrichtenagentur SDA berichtete. Zuvor hatte bereits der britische Sender BBC unter Berufung auf Augenzeugen berichtet, dass es in der Stadt Benghazi zu Protesten gekommen sei. Bei Zusammenstössen zwischen Demonstranten und Polizisten sollen mindestens 38 Menschen verletzt worden sein.
Libyen unterläuft Kooperationsvertrag mit Italien
Italien muss wieder einmal zur Kenntnis nehmen, dass auf Muammar Ghadhafi – notabene ein Freund von Regierungschef Silvio Berlusconi – kein Verlass ist. Gemäss einem Kooperationsvertrag, den Rom den Libyern mit milliardenschweren Investitionsversprechen schmackhaft gemacht hatte, sollte Tripolis die Flüchtlingsströme in Richtung Italien stoppen. Das Abkommen von 2009 sah zudem vor, dass Italien Bootsflüchtlinge direkt von See aus nach Libyen zurückschicken darf.
Libyen betreibt nun eine ganz andere Flüchtlingspolitik und fördert sogar die Migration in Richtung Italien. Dass Tausende Libyer, darunter auch Kriminelle, die tunesische Grenze passiert hätten, habe das Ghadhafi-Regime gegenüber der italienischen Regierung verschwiegen, heisst es in einem Bericht des Geheimdiensts Italiens.
«Tag des Zorns» in Libyen – Appell der EU
Die EU hat inzwischen Libyen aufgefordert, das Recht der Bevölkerung auf freie Meinungsäusserung zu gewährleisten. Die libyschen Behörden müssten den Protestierenden Gehör schenken und «jegliche Gewalt vermeiden», sagte die Sprecherin der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton vor Journalisten in Brüssel. Die EU verfolge die Ereignisse im nordafrikanischen Staat aufmerksam.
Nach dem Vorbild anderer arabischer Staaten ist am Donnerstag in Libyen ein «Tag des Zorns» geplant.
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