Only in America
Die gegenwärtige Kritik an den USA ist überzogen. Der positive Geist des Landes wird in Europa zu wenig gewürdigt.
Ins Trumpland? Wirklich? Mitunter reagierte mein Umfeld mit unverhohlenem Unverständnis, wenn ich davon erzählte, die Ferien in den USA zu verbringen. Manche meinten, angesichts des derzeitigen Präsidenten könnten sie sich dort unmöglich wohlfühlen. Oft kamen die Bedenken von Leuten, die kein Problem damit haben, Ferien in Militärdiktaturen wie Thailand zu verbringen oder in arabischen Ländern, in denen die Scharia gilt und Apartheid gegenüber Frauen herrscht.
Dann doch lieber eine Reise an die amerikanische Ostküste, zum Beispiel nach Washington D.C., der Hauptstadt, die in diesen sonnig-warmen Herbsttagen ungeachtet des politischen Geschreis in prächtigem Licht erstrahlt. Ein Besuch beim World War II Memorial erinnert daran, unter welcher Herrschaft wir in Europa ohne die USA mutmasslich leben würden. Und bei der Führung im Capitol, in dem der Kongress tagt, wird einem wieder einmal bewusst, dass die Amerikaner bereits 1776, mehr als zehn Jahre (!) vor den Franzosen, ihre Revolution ausgerufen hatten, die der Menschheit zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte Freiheit, Demokratie und Menschenrechte brachte.
Daran würde man gerne all jene erinnern, die in ihrer Kritik an den USA gerade jegliches Mass verlieren. Wie zum Beispiel EU-Ratspräsident Donald Tusk, der diese Woche meinte, die liberale Weltordnung sei nicht durch China oder Russland gefährdet, sondern durch die USA. Hey, Mister Tusk, möchte man ihm zurufen, besuchen Sie bei Ihrer nächsten Washington-Reise doch einmal das Museum of American History. Da wird in unzähligen Ausstellungen gezeigt, wie die USA bis heute unser Leben prägen. Ob in der Technologie, dem Handel, Militär oder Mobilität, von Microsoft über die Nasa, den D-Day bis zu Elvis Presley – ohne die USA wäre eine liberale Weltordnung wohl gar nie richtig möglich gewesen.
Auch eine Portion der amerikanischen Lockerheit wäre nicht nur Mister Tusk, sondern vielen Europäern zu wünschen: Bevor man zum Beispiel die Galerien in diesem monumentalen Museum überhaupt erst entdecken kann, steht mitten in der Eingangshalle mit diversen Scheinwerfern stolz in Szene gesetzt – das originale Batmobil aus dem Batman-Film mit Michael Keaton. Was nur ein halber Kuratoren-Scherz ist, denn nirgends ist der amerikanische Einfluss grösser und unschätzbarer als in Kunst und Kultur. Dass ein Film oder ein Buch nicht nur belehrend, sondern auch unterhaltend oder gar lustig sein können, haben den oft selbstgefälligen französischen Filmern und verkopften deutschen Schriftstellern vor allem die Amerikaner vorgemacht.
Die überdrehten Shows des Frühstückfernsehens, der Hang zum Gigantismus oder die fehlende Dezenz, die vorlauten Zwischenrufer im Kino («Come on, go for it – yes!!!») oder das pathetische Singen der Nationalhymne vor jeder einzelnen Sportveranstaltung – oft denkt man als Besucher mit einer Mischung aus Amüsement und Augenrollen: only in the USA. Tatsächlich ist es dieser lebensbejahende, produktive und freiheitliche Geist der Amerikaner, der unserer westlichen Zivilisation den Takt vorgibt. Und der vor lauter Dünkel in Europa viel zu wenig gewürdigt wird.
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