Aufstockung sorgt für Aufregung
Bei der Abstimmung über eine Umzonung geht es in Münsingen um mehr als um ein zusätzliches Stockwerk.

Der Vorwurf der Manipulation steht im Raum. Nicht um Stimmen geht es, sondern um Klicks im Internet. In neun Tagen entscheidet Münsingen, ob zwei Wohnblöcke um ein Stockwerk erhöht werden sollen. Das sorgt für heftige Onlinekommentare. Die Gegner des Projekts hegten den Verdacht, dass die Befürworter die «Gefällt mir»-Buttons unter den Kommentaren fast nach Belieben drücken. Damit wollten sie vortäuschen, in der Mehrheit zu sein.
Umgekehrt warf Gemeinderat Andreas Kägi den Gegnern vor, sie würden in ihrem Flyer falsche Angaben machen. Die Nerven sind angespannt.
«Nicht vor der eigenen Tür»
Die beiden Blöcke stehen am Jungfrauweg. Sie zählen je drei Vollgeschosse plus ein Attikageschoss. Nun will die Grundeigentümerin die Gebäude je um ein Stockwerk erhöhen. Der Gemeinderat unterstützt die Pläne, er erachtet sie als «Musterbeispiel» der Siedlungsentwicklung nach innen. Auch das Parlament hiess sie im Mai gut, wenn auch knapp. Doch ein Komitee mit dem Namen «Nicht höher» rund um Nick Raduner ergriff erfolgreich das Referendum. Deshalb die Abstimmung, die für rote Köpfe sorgt.
«Es ist halt ein sehr emotionales Thema», sagt Parlamentarier und FDP-Präsident Beat Schlumpf. Er ist ein Befürworter der Umzonung. Eigentlich könne ja niemand etwas gegen die innere Verdichtung haben. «Dass kein Kulturland mehr überbaut werden soll, das sollte in allen Köpfen angekommen sein.» Dass das Verdichtungsprojekt trotzdem auf vehementen Widerstand stösst, das erklärt sich Schlumpf damit, dass «alle alles wollen, nur nicht vor ihrer eigenen Tür».
Raduner kennt den Vorwurf. Er wohnt in einem Einfamilienhaus gleich neben der Bauparzelle. Doch für ihn geht es um Grundsätzlicheres: «Wenn es am Jungfrauweg passiert, kann es bald überall in Münsingen passieren.» Und er ist sicher, dass es dann nicht bei fünfstöckigen Gebäuden in Wohnzonen bleibt. Um auf das Anliegen aufmerksam zu machen, hat das Komitee in der rund 12500 Einwohner zählenden Gemeinde grosse rote Stecknadeln aufgestellt. Er habe nichts gegen innere Verdichtung, das betont er immer wieder. «Aber so gehts nicht.»
Der Gemeinderat betonte allerdings wiederholt, dass es sich beim Jungfrauweg nicht um einen Präzedenzfall handle. Bei künftigen Projekten könne die Bevölkerung mitreden. Gegen Parlamentsbeschlüsse könne schliesslich das Referendum ergriffen werden.
Auf die Strategie warten
Beat Schlumpf hat keine Höhenangst. «Wir haben ja schon viele Gebäude, die höher als vier Stock sind.» Das geplante Senevita-Gebäude beim Bahnhof zählt sieben Stockwerke. «Wir haben zudem das Glück, dass wir noch relativ wenige hohe Häuser haben.» Damit müsse man sich aber immer stärker befassen, auch in der Schweiz. In Münsingen gehe es ja gerade mal um 2,4 Meter: Statt 10,8 sollen die Häuser künftig 13,2 Meter hoch sein.
Für Raduner und seine Mitstreiter wiederum kommt das Projekt zur Unzeit. Denn gerade hat die Gemeinde das Projekt Münsingen 2030 gestartet. Der Siedlungsentwicklung nach innen schenkt sie dabei besonderes Gewicht. Zudem hat das Parlament den Gemeinderat vor einem Jahr mit einer Potenzialstudie und einem Umsetzungskonzept für die innere Entwicklung beauftragt. Die Gegner hätten sich gewünscht, dass die künftige Strategie auch für das vorliegende Projekt gilt. «Der Zeitpunkt für ein solches Projekt ist immer falsch», entgegnet Schlumpf. Bis Münsingen 2030 dauere es noch Jahre.
Nick Raduner hat an den ersten Workshops zur Ortsplanungsrevision teilgenommen. «Am ersten Workshop haben sich zwei Drittel der Teilnehmenden gegen weiteres Wachstum ausgesprochen.» Trotzdem sei es beim zweiten Workshop gleich um die Frage gegangen, wie Münsingen weiter wachsen könne. Beat Schlumpf sagt hingegen: «Wenn wir keine Wohnungen mehr bauen, schrumpft die Bevölkerungszahl.»
Die Diskussion wird auch nach der Abstimmung am 25. November weitergehen.
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