Auf Gartenentzug
Was tun, wenn es im Garten nichts zu tun gibt? Sich von der Handy-Ablenkung ablenken zum Beispiel – mit der Gartenplanung etwa.

Was haben Gartenmenschen früher im Winter gemacht? All die Selbstversorger, die den Rest des Jahres im Garten werkelten, jäteten, säten, ernteten? Sassen sie drinnen vor dem Fenster, vor sich den dichten Nebel und die kahlen Äste, die gefrorenen letzten Überbleibsel im Garten? Schliefen sie auch einmal aus, ruhten sich aus von der grossen Arbeit, die der Rest des Jahres gebracht hatte? Knackten Nüsse, weil die Hände doch nicht ruhen konnten?
Auch heute können die Hände nicht ruhen. Meine scrollen auf dem Handy, auf und ab, Zeitvertrieb, Langeweilevertreib. Meine Freizeit ist dominiert von dieser kleinen Maschine. Kein Blick für die düstere Stimmung draussen, den milchigweissen Tag, der viel zu schnell vergeht.
Januar ist am schlimmsten. Die Tage werden länger, aber so zaghaft. Die Natur ist im Stillstand. Und ich vermisse den Garten! Ich sehne mir den Frühling herbei, das echte Leben, das von krümeliger Erde erfüllt ist und nicht von glatten Bildschirmen. Die Tage, an denen ich das Handy einfach weglegen kann und nicht auf den nächsten Pieps warte, auf den ich doch gar nicht warten will.
Die innere Ruhe, die mir die Tage im Garten geben, ist unbezahlbar. Wenn es nur darum geht, ob die ersten Rhabarberblätter schon forsch aus dem Boden stossen oder der Winterblumenkohl zwischen all den grossen Blättern eine wachsende Rosette versteckt. Wenn die Sonne die Erde langsam wieder aufwärmt, das Unkraut zu spriessen beginnt. Ich will dann den Garten umgraben, schnell Radiesli säen. Nicht weil sie besonders fein sind, aber weil sie die ersten sind im Garten. Dieses Gefühl ist so urtümlich, so echt, dass all die digitalen Verlockungen vergessen gehen.
Natürlich, ich habe einen Hang zur Verklärung. Früher war nicht alles besser, da gab es viel zu heizen und holzen, nicht immer genug auf dem Tisch. Aber wenn ich an düsteren Tagen wie diesen vor dem Fenster sitze, auf dem Handy scrolle, und nicht ganz weiss, wohin mit mir, wünsche ich mich doch hin und wieder in diese Zeiten zurück.
Also bleibt momentan nur: Ablenkung von der Ablenkung. Ich mache mich an die Gartenplanung. Jeden Winter zeichne ich fein säuberlich die Beete auf, nehme die alten Pläne hervor, werweisse, wo ich in diesem Jahr die Stangenbohnen einplanen kann, damit ich die Fruchtfolge einhalte. Überlege, was ich mit dem Lauchfeld mache, das wegen der Lauchfliege unbedingt jedes Jahr an einem völlig anderen Ort sein muss.
Doch hier droht schon der nächste Rückschlag: Der Garten ist wie jedes Jahr zu klein für all meine Pläne. Und als ich die Erdbeeren einzeichne, kommt mir in den Sinn, dass es mir im letzten Herbst nicht mehr reichte, sie zu jäten. Ob es wohl überhaupt etwas zum Ernten geben wird? Und der Standort unter dem Kirschbaum ist sowieso alles andere als optimal, zu wenig Licht und Nährstoffe. Ob ich hier eine Brache wachsen lassen soll? Oder Walderdbeeren pflanzen? Würde es denen wohl gefallen dort? Das muss ich jetzt schnell googlen.
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