«Auf einen Schlag quasi schuldenfrei»
Potenzial mehr sieht für noch tiefere Steuern.
Herr Hubacher, am Freitag haben Sie Ihren letzten Arbeitstag als Finanzverwalter von Langenthal. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie daran denken? René Hubacher: Es sind zwei Dinge: Ich verlasse auf der einen Seite ein Umfeld mit Menschen, mit denen ich tagtäglich Kontakt hatte. Somit ist meine Pensionierung ein Stück weit mit Wehmut verbunden. Auf der anderen Seite freue ich mich darauf, gewisse neue, private Projekte in Angriff nehmen zu können. Sie sind 60 Jahre alt und lassen sich vorzeitig pensionieren. Warum? Diesen Entscheid habe ich nicht von heute auf morgen gefällt. Ich habe mir das lange überlegt. Und ich habe meinen Entscheid auch etwa 14 Monate zum Voraus angekündigt. Ich finde, dass der jetzige Zeitpunkt aus zwei Gründen der richtige ist. Erstens ist es ideal, auf das Ende eines Kalender- und somit Rechnungsjahres diesen Schnitt zu machen. Und zweitens befinden wir uns in der Mitte der laufenden Legislatur. Das finde ich gut, weil es so nicht eine Doppelvakanz beim zuständigen Gemeinderat und beim Amtsvorsteher gibt. Sie arbeiten seit 1982 im Langenthaler Finanzamt. Was hat sich in dieser Zeit verändert? Die Veränderungen waren vor allem im Bereich Informatik sehr gross. Wir hantierten in den 1980er-Jahren zwar nicht gerade mit Rauchzeichen. Aber wir arbeiteten noch manuell mit Rechenmaschinen. Klar gab es damals schon einfachere Informatiksysteme. Aber bis heute gab es in diesem Bereich wesentliche Quantensprünge. Es ist heute viel einfacher, gewisse Auswertungen und Analysen zu machen. Wie stark ist der Umsatz der Stadt in dieser Zeit gewachsen? Heute sind es 85 bis 90 Millionen Franken. 1982 waren es 45 Millionen, 1997 bereits 78 Millionen Franken. Welches war das einschneidendste Ereignis? Das war ganz klar der Verkauf der Beteiligung an der Onyx Energie AG Ende 2005, Anfang 2006. Das hat die finanzielle Situation der Stadt schlagartig verändert. Das lässt sich am besten mit der Entwicklung der Liquidität illustrieren: Am 27.Januar 2006 betrug diese 4 Millionen Franken. Vier Tage später waren es 108 Millionen Franken. Inwiefern haben die 104 Millionen Franken aus dem Verkauf der Beteiligung an der Onyx Energie AG Ihre Arbeit ab 2006 verändert? Langenthal war auf einen Schlag quasi schuldenfrei. Klar hat die Gemeinde noch heute Fremdkapital. Aber wir haben viel mehr Mittel angelegt, als die Stadt Schulden hat. Zuvor war Langenthal beim Budgetieren in engen Hosen. Durch den Onyx-Handel wurde ich vom Schuldenverwalter zum Finanzverwalter. Worin liegt der Unterschied? Mitte der 1990er-Jahre hatte Langenthal rund 100 Millionen Franken Schulden. Wir mussten mit knappen Mitteln haushalten. Im Vordergrund stand die Frage: Was können wir uns leisten? Wenn man Schulden hat und das finanzielle Korsett eng ist, lässt sich vieles nicht realisieren. Ab 2006 drehten sich die politischen Diskussionen um die Frage, was die Stadt mit dem vielen Geld tun soll. Nebst dem Thema Steuersenkung kam auch die Frage der Werterhaltung der Infrastruktur aufs Tapet. Auch wenn aus finanzieller Sicht wieder grössere Projekte möglich sind, so hat der Gemeinderat unmittelbar nach dem Verkauf der Onyx-Beteiligung in Diskussionen und Beratungen auch mit der Finanzkommission und den Fraktionen beschlossen, dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung nachzuleben. Der Gemeinderat hat dies meines Erachtens in den Regierungsrichtlinien gut abgebildet. Er will in erster Linie in den Erhalt und die Verbesserung der bestehenden Infrastruktur investieren. Und in zweiter Linie sollen neu auch Investitionen mit Potenzial für die zukünftige Weiterentwicklung in Betracht gezogen werden. Was haben die Onyx-Millionen der Stadt konkret gebracht? Einen grösseren finanziellen Spielraum. Das führte dazu, dass in Schritten auch die Steuerzahler etwas davon spüren. Auch in Zukunft wird jährlich über die Steueranlage diskutiert und beraten werden. 2006 betrug die Steueranlage 1,62 Einheiten. Im nächsten Jahr sind es 1,38. Können die Steuern noch mehr gesenkt werden? Das ist eine politische Frage. Wenn ich es aus heutiger Sicht beurteile, so sind teilweise beachtliche Projekte in der Pipeline, die einiges kosten werden. Daher sehe ich kein grosses Potenzial mehr, um die Steuern weiter zu senken. Aber das wird auch davon abhängen, wie sich die Steuererträge entwickeln werden. Ende 2005 hatte die Stadt Schulden von rund 80 Millionen Franken. Und heute? Es sind Ende dieses Jahres noch rund 22 Millionen Franken. Was ist einfacher: Schuldenverwalter oder Finanzverwalter? (lacht) Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es ist einerseits vielleicht etwas schöner, wenn man weiss, dass die Stadt eine gewisse finanzielle Sicherheit hat. Aber andererseits wachsen von allen Seiten die Begehrlichkeiten. Beim Schuldenverwalten ist das Primat klar: entweder das oder das oder gar nichts. 2006 legte Langenthal 62 Millionen Franken vom Onyx-Geld in Aktien und Obligationen an. Wie hoch ist aktuell der Buchverlust respektive der -gewinn? 2008 war mit der Finanzkrise ein spezielles, ein schwieriges Jahr. Ende 2008 sah die Bilanz nicht besonders gut aus. Aber diese Kapitalanlagen sind mittel- bis langfristig ausgelegt. Stand heute fällt die Bilanz positiv aus. Die Verluste von 2008 sind zwar noch nicht restlos kompensiert. Aber wenn die realisierten Erträge mit berücksichtigt werden, so bin ich zufrieden. Wir haben durchschnittlich pro Jahr circa 2 Prozent vorwärtsgemacht. Was werden Sie ab Januar tun? Es gibt in privaten Dingen da und dort Nachholbedarf. Ab Februar werden wir zudem mit den Reisevorbereitungen beginnen. Meine Frau und ich haben vor, Ende März für längere Zeit zu verreisen. Ich will so die Brücke bauen zwischen der Aktivzeit und dem Ruhestand. Wir werden durch Europa reisen, klimabedingt voraussichtlich von Süden nach Norden. Was werden Sie vermissen? Sicher die Menschen, die ich über all die Jahre in der Verwaltung und in der Politik kennen lernen durfte, und die täglichen Kontakte mit ihnen. Interview: Dominic Ramel>
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