Neue Maschen der KriminellenAuf diese Betrügereien sollten Sie nicht hereinfallen
Wie Bernerinnen und Berner mit falschen Unfällen, Liebhabern und Investments übers Ohr gehauen wurden – und wie man sich davor schützen kann.
Schockanruf: Der neue Enkeltrick

Das Telefon klingelt, eine unbekannte Nummer. Am anderen Ende ein Mann mit strenger hochdeutscher Stimme, im Hintergrund ist das Weinen einer Frau zu hören. Das sei die eigene Tochter, sagt der Mann, der sich als Mitarbeiter einer ausländischen Polizei oder Staatsanwaltschaft ausgibt.
Die Tochter habe bei einem Verkehrsunfall jemanden angefahren oder gar totgefahren. Sie befinde sich in Untersuchungshaft. Und sie komme nur frei, wenn eine Kaution gezahlt werde. Möglichst rasch. Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter könnte das Geld gleich abholen.
So vage diese Geschichte tönt, so effektvoll wissen die Betrüger diese zu erzählen. Es handelt sich um sogenannte Schockanrufe. Die Masche löst den klassischen Enkeltrickbetrug ab, bei dem angebliche Verwandte bei Betagten nach Geld fragen.
Kriminelle sind mit den Schockanrufen erfolgreich – auch im Kanton Bern. Fünfmal warnte die Kantonspolizei im vergangenen Jahr öffentlich davor. Trotzdem wurden der Polizei in der Kategorie Enkeltrick/Schockanrufe 445 Betrugsversuche gemeldet. 15 davon waren erfolgreich: Insgesamt wurden die Opfer um 857’000 Franken erleichtert.
Auch die Masche der falschen Polizisten ist weiterhin beliebt. Dabei geht es um telefonische Warnungen vor Einbrüchen im Wohnquartier der Angerufenen. Die Opfer werden aufgefordert, ihre Wertsachen in Sicherheit zu bringen – indem sie diese den angeblichen Polizisten übergeben, die praktischerweise gleich vorbeikommen können. Die Kantonspolizei zählte letztes Jahr 418 Versuche, wovon 7 erfolgreich waren. Dabei wurden insgesamt 290’700 Franken erbeutet.
Was kann ich dagegen tun? Nicht alles für bare Münze nehmen, was einem am Telefon erzählt wird. Dem Anrufer keine persönlichen Informationen bekannt geben. Die Kantonspolizei empfiehlt, aufzulegen und die Polizei unter der Nummer 117 über den Anruf zu informieren.
Falsche E-Mails von Post, Swisscom und Steuerverwaltung

Einmal ist es angeblich die Steuerverwaltung, die mit einer Rückerstattung lockt. Ein anderes Mal warnt die Swisscom vor einer doppelt bezahlten Rechnung. Oder die SBB wollen sich für die Teilnahme an einer Umfrage erkenntlich zeigen. Auch die Schweizerische Post oder DHL melden immer wieder, dass ein Paket am Zoll festhängt und noch eine kleine Gebühr fällig ist.
Manche dieser E-Mails sind dilettantisch gestaltet und fehlerhaft geschrieben. Andere kopieren Darstellung und Wortlaut perfekt und sprechen die Empfängerin oder den Empfänger gar mit korrektem Vor- und Nachnamen an. Die Informationen stammen meist aus grossen E-Mail-Datenbanken, die im Internet verkauft werden. Daraus austragen lassen kann man sich nicht.
Je nach Methode geht es bei den falschen E-Mails um Kreditkartenbetrug, Passwortdiebstahl oder Erpressung.
Unter dem Strich geht es den Betrügenden darum, dass man seine Kreditkartendaten eingibt. Wer dies tut, wird um einige Hundert Franken erleichtert. Andere Betrugs-E-Mails versuchen, die Empfänger dazu zu bringen, eine Schadsoftware auf ihren Computer zu laden, um diesen auszuspähen oder zwecks Erpressung zu verschlüsseln.
Oder die E-Mails zielen darauf ab, Zugang zum E-Banking zu erlangen oder persönliche Daten und Passwörter zu sammeln. Das tun sie, indem sie Log-in-Portale, etwa von Facebook oder Instagram, exakt kopieren.
Was kann ich dagegen tun? Nie auf die Links in verdächtigen E-Mails klicken. Im Zweifelsfall den Absender im Telefonbuch suchen und telefonisch nachfragen. Bei angeblichen Rückerstattungen oder Gewinnen nie eine Kreditkartennummer angeben. Zu erkennen sind gefälschte Websites etwa daran, dass vor der Internetadresse kein geschlossenes Schlosssymbol erscheint. Das Schloss ist das Zeichen für eine sichere Verbindung. Zudem muss darauf geachtet werden, dass in der Adressleiste die korrekte Internetadresse des jeweiligen Unternehmens erscheint. Wer seine Daten bereits eingegeben hat, sollte schnellstmöglich die Kartenherausgeberin anrufen und/oder gleichlautende Passwörter ändern.
Eine Bank, die es gar nicht gibt

Das Internet lässt reale und falsche Welten verschmelzen. So auch bei einem Berner, der in den letzten Jahren einen sechsstelligen Betrag an eine Bank überwiesen hat, die es gar nicht gibt. Die angebliche Bank hatte zwar eine Website mit funktionierendem Log-in, wo der Berner zusehen konnte, wie sein Vermögen stetig wuchs. Er hatte auch einen freundlichen Kundenberater, der telefonisch immer erreichbar war. Doch sobald der Mann sein Geld zurückhaben wollte, entpuppte sich das Ganze als potemkinsches Dorf.
Die Kantonspolizei hörte den Mann zwar an, stiess bei ihren Ermittlungen aber bald an die (Landes-)Grenzen. Denn die erfundene Bank befand sich angeblich in Dubai. Und an ein Konto einer realen Bank in Dubai hatte der Mann sein Geld auch überwiesen. Der Berner nahm sich einen Anwalt im Emirat, um von der realen Bank mehr Informationen über den Verbleib seines Investments zu erhalten. Tatsächlich erhielt er letztes Jahr einen 17-seitigen Bankauszug des betreffenden Kontos.
Darauf sah er, dass auch andere Opfer aus ganz Europa auf das Konto eingezahlt hatten. Und er sah, wohin die Gelder abgeflossen waren: an einen Mann in London – wohl sein «Kundenberater» –, an einen polizeibekannten und untergetauchten Niederländer, an eine Firma in Spanien sowie an weitere Personen.
Der Berner hat inzwischen andere Opfer der falschen Bank gefunden und überlegt sich weitere juristische Schritte. Doch auch wenn letzten Endes ein Täter verurteilt würde: Das Geld ist wohl längst irgendwo zwischen Dubai und London versickert.
Was kann ich dagegen tun? Investitionen, die zu gut tönen, um wahr zu sein, haben immer einen Haken. Betrüger werben auch gerne mit «passivem Einkommen» oder für «binäre Optionen». E-Mails und Anrufe einfach ignorieren. Investments mit der eigenen Bank besprechen.
Von echten und falschen Bitcoins

Leser P. wurde vor einigen Jahren im Internet auf eine vielversprechende Anlage aufmerksam: Bitcoin. Er eröffnete bei einem Onlineanbieter im Internet ein Konto und überwies einen fünfstelligen Betrag für den Kauf der Kryptowährung. Doch als er sich das Geld wieder auszahlen lassen wollte, ging nichts mehr – sein Konto war blockiert.
Der Berner war auf eine kriminelle Plattform hereingefallen. Im Internet lassen sich seriöse und unseriöse Handelsplattformen kaum unterscheiden. Und auch als seriös geltende Kryptobörsen können rasch untergehen, wie der Fall von FTX zeigt.
Bei der Kantonspolizei gingen 3496 Anzeigen betreffend Cyberkriminalität ein – die allermeisten Fälle wurden ohne Verurteilung eingestellt.
P. reichte eine Anzeige gegen unbekannt ein. Aber die bernische Staatsanwaltschaft sistierte das Verfahren bald. Sie schrieb ihm, dass die «spärlichen Spuren» nicht ausreichen würden, die Täter zu finden.
Der Mann ist nicht der Einzige, der vergeblich auf Unterstützung der Justiz gehofft hatte: Bei der Kantonspolizei gingen vorletztes Jahr 3496 Anzeigen betreffend Cyberkriminalität ein – die allermeisten Fälle wurden ohne Verurteilung eingestellt oder sistiert.
Was kann ich dagegen tun? Kryptowährungen sicher aufzubewahren, ist nicht ganz einfach. Entweder muss das in der eigenen Wallet geschehen. Oder bei einer etablierten, idealerweise inländischen Bank, die dies anbietet. Es bleibt das Risiko enormer Kursschwankungen. Von den Tausenden Kryptowährungen sind die meisten nach dem ersten Boom wieder wertlos. Wenn Prominente wie Roger Federer oder Günther Jauch angeblich für eine Kryptowährung werben, handelt es sich meist um eine Betrugsmasche.
Der Mann vom Microsoft-Support

Leserin M. klickte sich durchs Internet, bis auf ihrem Laptop-Bildschirm eine Viruswarnung auftauchte: Ihr Computer sei akut gefährdet, man solle dringend den Microsoft-Kundendienst anrufen. Es war eine Schweizer Nummer mit Berner Vorwahl hinterlegt. Also rief M. an.
Im Namen von Microsoft meldete sich ein Mann in geschliffenem Hochdeutsch. Er wusste gleich, worum es ging – und instruierte die Anruferin, eine Software herunterzuladen, mit welcher er Zugriff auf ihren Computer erhalten sollte, um dem Virus den Garaus zu machen.
Natürlich gab es gar kein Virus. Doch der falsche Microsoft-Support-Mitarbeiter nutzte den Zugriff auf den Computer seines Opfers dafür, die im Browser gespeicherten Passwörter zu präsentieren und so effektvoll zu behaupten, diese könnten von Hackern gestohlen werden. Um das zu verhindern, seien kostenpflichtige Arbeiten nötig. Um diese zu bezahlen, sollte die Frau Guthaben im Google-Play-Store kaufen und an den «Kundendienst» übertragen. Da wurde die Leserin misstrauisch – und legte das Telefon auf.
Was kann ich dagegen tun? Viruswarnungen ignorieren, wenn sie nicht vom eigenen Antivirenprogramm oder Betriebssystem stammen. Wer die Fernzugriffssoftware bereits installiert hat, sollte umgehend die Verbindung zum Internet kappen und dann das Programm deinstallieren. Und die allenfalls auf dem Computer gespeicherten Passwörter ändern.
Ein verlockender Zusatzverdienst

Nur wenige Stunden pro Woche arbeiten, flexibel und von zu Hause aus – und das für einen stattlichen Lohn. Wenn der angebliche Arbeitgeber dann noch «keine Vorkenntnisse» verlangt, dann müssen die Alarmglocken läuten. Auch wenn das Stelleninserat auf einer sonst seriösen Plattform zu finden ist.
Denn oft geht es darum, nach einer kurzen Schulung zwielichtige Finanz- oder andere Produkte weiterzuverkaufen und Schneeballsystem-mässig weitere Verkäufer zu rekrutieren. Oder die Arbeit besteht darin, Zahlungen auf dem eigenen Bankkonto entgegenzunehmen und rasch weiterzuleiten. Wer sich für solches einspannen lässt, macht sich in der Regel der Geldwäscherei schuldig. Mehrere Bernerinnen und Berner wurden bereits dafür verurteilt – siehe nächsten Punkt.
Was kann ich dagegen tun? Wenn vor Stellenantritt für Kurse oder Material bezahlt werden muss, handelt es sich vermutlich um ein unseriöses Geschäft. Wenn das eigene Bankkonto für Transaktionen zur Verfügung gestellt werden muss, ebenso.
Onlineromanze mit einem Betrüger

Der Berner hatte seine neue Onlinebekanntschaft auf Tinder kennen gelernt, und offenbar knisterte es. Dann erhielt er sogar noch einen Investmenttipp von seiner neuen Flamme – worauf er 172’000 Franken in eine ihm unbekannte Kryptowährung investierte. Doch bald war die tippgebende Flamme nicht mehr erreichbar, und auch das Kryptoguthaben löste sich in Luft auf. Der Berner erstattete Strafanzeige, doch die Behörden stellten die Ermittlungen bald darauf ein.
Einem ganz anderen Liebesschwindel erlag eine Bernerin im mittleren Alter: Sie traf auf dem Datingportal Badoo auf einen charmanten Franzosen namens Jean Pico. Sie wollte ihn endlich einmal in Person treffen, und er stellte ihr etwas Geld für gemeinsame Ferien in Aussicht. Er bat sie um eine Kontonummer und sagte dann noch, dass er in der Schweiz Geschäfte mache und die Frau Überweisungen von Dritten erhalten werde. Sie sollte ihm das Geld nach Frankreich überweisen und einen Teil davon für die Ferienbuchung behalten.
Die Frau hatte sich, ohne es zu merken, als «Geldesel» einspannen lassen. Sie wurde dafür verurteilt.
Weil die Frau kein E-Banking hatte, gab die ihrem Onlinefreund das Konto ihres Sohnes an. Tatsächlich trafen bald mehrere drei- und vierstellige Beträge auf dem Postkonto ein. Der Sohn überwies die Gelder wie angewiesen weiter. Doch er stellte kritische Fragen, worauf der französische Liebhaber abtauchte.
Bald meldete sich dafür die Polizei bei der Bernerin und ihrem Sohn. Denn die Geldbeträge stammten von fünf Personen, die auf einer Kleinanzeigen-Plattform übers Ohr gehauen wurden. Die Frau hatte sich, ohne es zu merken, als «Money Mule» («Geldesel») einspannen lassen. Dank ihr konnten die Täter das Geld ausser Landes schaffen, ohne dass die Betrugsopfer Verdacht geschöpft hätten.
Die Frau wurde wegen Geldwäscherei verurteilt, ihr Sohn vom gleichen Vorwurf im vergangenen Mai freigesprochen. Der charmante Herr Pico und seine Helfer konnten nicht identifiziert werden.
Was kann ich dagegen tun? Wer seiner Onlinebekanntschaft nie physisch gegenüberstand, kann nicht wissen, auf wen er sich wirklich einlässt. Und wer sich der Bekanntschaft auf Fotos oder per Videochat nackt präsentiert, muss damit rechnen, dass er oder sie später damit erpresst wird.
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