
Eigentlich habe ich das Gefühl, der Mann und ich führen eine recht harmonische Beziehung. Es gibt eine Ausnahme – okay, es gibt natürlich mehrere, aber über die schweige ich an dieser Stelle. Die eine Ausnahme, von der ich sprechen will, trägt sich immer dann zu, wenn die Tage langsam länger und wärmer werden. Ich stresse dann herum, weil wir die Bäume noch nicht geschnitten haben. Ich befürchte jedes Jahr, sie könnten schon austreiben, bevor wir ihnen überhaupt den Weg gewiesen haben. Zu jeder passenden und unpassenden Zeit – beim Zähneputzen, vor dem Frühstück, während des Filmschauens – mache ich also Andeutungen: Der Frühling, die Bäume, wir sollten langsam, meinst du nicht?
Das muss zermürbend sein. Und irgendwann hilft er mit. Zieht die Arbeitshosen an, desinfiziert Fuchsschwanz und Gartenschere mit dem Bunsenbrenner, holt die Leiter.
Er will zuerst den alten Baum, ich die jungen. Also die jungen. Ich weiss genau, wie sie geschnitten werden müssen, denn ich habe vor ein paar Jahren einen mehrtägigen Kurs im Baumschneiden besucht. Kurz darauf habe ich beim Versuch, einen Leitast schön in die richtige Form zu biegen, den ganzen Ast abgebrochen, aber das ist eine andere Geschichte. Oder vielleicht auch nicht. Denn seither traut der Mann mir nicht mehr über den Weg. Und ich ihm ebenso wenig. Denn ich weiss, dass er nicht weiss, wie man die Bäume schneiden muss. Und ich wüsste es theoretisch, bin aber richtig schlecht im Handwerk. Und so umzingeln wir das arme Bäumchen, das schon fürchtet, dass es von uns gleich zwischen den Zähnen zerfletscht werden wird.
«Anschneiden, schlank schneiden, von aussen gegen innen.» Wie ein Mantra sage ich die goldenen Regeln des Baumschneidens vor mich hin. Der Mann schert sich einen Deut darum. Findet, ich hätte den Baum jetzt schon seit fünf Jahren viel zu streng geschnitten. «Wir wollen endlich Äpfel», meint er. «Wir müssen in den Aufbau investieren», meine ich.
Wir schreien, ich jedenfalls tue es, und er verzieht sich auf den alten Baum. Will dort wüten. Ich nehme mir die Jungen vor. «Anschneiden, schlank schneiden, von aussen gegen innen.» Schnipp-schnapp. «Streng sein.» Schnipp-schnapp, mit der Gartenschere. «Du hältst sie falsch herum», ruft er vom Baum herunter. Ich könnte ihn. Aber da ist nur der Baum. Ich schneide ihn noch strenger. Theoretisch weiss ich schon, wie ich die Gartenschere halten muss, ich weiss auch, wie ich mit dem Fuchsschwanz muss: Unten einschneiden und dann von oben sauber durch, ich könnte es zeichnen. Praktisch finde ich keinen Rhythmus, rutsche aus, kriege keine saubere Kante hin. Ich schaue zu ihm: Er sitzt im Baum, will an einem Ast sägen, der aber dranbleiben muss, es ist doch ein Fruchtast. «Nur verjüngen hier», rufe ich. Er hält die Hand ans Ohr. Als ob er mich nicht hören würde! Ich springe hinüber, versuche ihn schreiend und gestikulierend darauf hinzuweisen, dass er wieder am falschen Ast sägt.
Er lacht und sagt: «Spielt es noch eine Rolle in zehn Jahren?» Und ich denke, schön, so gemeinschaftliche Aktivitäten.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Gartenkolumne: Nachgehackt – Auf den Bäumen wüten
Unsere Gartenkolumnistin weiss: Baumschnitt ist wichtig, führt aber regelmässig zu Ehekrach.