Auf dem Thorberg sitzt in Zukunft vielleicht keiner mehr
Vier der neun Berner Gefängnisse sollen an anderen Standorten neu gebaut werden, darunter die Justizvollzugsanstalt Thorberg und das Regionalgefängnis Bern.
Die fünf Berner Regionalgefängnisse und vier Justizvollzugsanstalten (JVA) sind seit Jahren chronisch voll oder gar überbelegt. Viele Einrichtungen stossen nicht nur an ihre Kapazitätsgrenze, sie sind auch überaltert und entsprechen nicht mehr dem geforderten Standard.
Eine Erhebung des Amtes für Justizvollzug (AJV) hat aufgezeigt, dass vier der neun Gefängnisse die Minimalanforderungen nicht mehr erfüllen. Es sind dies die Regionalgefängnisse Bern und Biel sowie die JVA Hindelbank und Thorberg.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das AJV beziehungsweise die Polizei- und Militärdirektion (POM) in der am Montag veröffentlichen Justizvollzugsstrategie teilweise Totalsanierungen oder gar Ersatzbauten fordert. Die Strategie will die kantonale Vollzugsplanung für die nächsten 15 Jahre regeln.
Vom Status quo zum Neubau
Die POM und der Regierungsrat schlagen drei Szenarien vor:
- Status quo: Damit würden die meisten Unzulänglichkeiten in baulicher, technischer und konzeptioneller Hinsicht nicht behoben. Werden die neun Gefängnisse wie heute weiterbetrieben, ist für die kommenden Jahre mit Investitionen in den Unterhalt von geschätzt mindestens 300 Millionen Franken zu rechnen.
- Status quo plus: Dieses Szenario umfasst die Sanierung und/oder den Neubau von Vollzugseinrichtungen an den heutigen Standorten.
- Status quo mutatio: Auch hier sind Sanierungen und Ersatzbauten vorgesehen. Allerdings fliesst die Möglichkeit mit ein, Ersatzbauten an alternativen Standorten zu realisieren.
Die Polizei- und Militärdirektion bevorzugt die dritte und damit die teuerste Variante. Wobei Angaben zu den Kosten im Bericht fast gänzlich fehlen. Es ist aber davon auszugehen, dass das Modell mit den Neubauten deutlich mehr Geld kosten wird als der Status quo mit den 300 Millionen Franken.
Prêles statt Krauchthal?
Der Regierungsrat hat die Justizvollzugsstrategie bereits zur Kenntnis genommen. Zudem haben die vorberatenden Kommissionen Kenntnis davon. Abschliessend wird der Grosse Rat über die Strategie befinden.
Mit der Diskussion über die Planung der Haftplätze wird ganz konkret auch darüber entschieden, ob die JVA Thorberg in der Gemeinde Krauchthal eine Zukunft hat oder nicht. Die wohl bekannteste Strafanstalt der Schweiz ist in die Jahre gekommen, die Platzverhältnisse sind eng, die Sanierungs- und Ausbaumöglichkeiten wegen der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude eingeschränkt.
Thomas Freytag macht denn auch kein Geheimnis daraus, dass eine Sanierung und der damit verbundene Ausbau auf 200 Plätze nur die «zweitbeste Lösung» wäre. Langfristig am sinnvollsten wäre für ihn ein Neubau mit rund 300 Plätzen. Als möglicher Standort wird in der Strategie das Gelände des ehemaligen Jugendheims Prêles im Berner Jura genannt.
Dort verfügt der Kanton seit der schlagzeilenträchtigen Schliessung des Heims über eine eigene Liegenschaft mit Ausbaupotenzial. Freytag lässt jedoch durchblicken, dass dies wohl nicht der bevorzugte Standort für eine neue JVA wäre und es durchaus noch andere valable Parzellen im Kanton gäbe.
Niederwangen statt Bern?
Nach der behördlich favorisierten Variante würde auch das Regionalgefängnis im Amthaus Bern geschlossen und an anderer Stätte neu gebaut. Konkret genannt wird das Areal in Niederwangen, auf dem das neue Polizeizentrum entsteht.
Erreicht die Maximalvariante im Kantonsparlament eine Mehrheit, so würde die Anzahl Haftplätze von heute 956 auf rund 1160 steigen. Ein solcher Ausbau und der Neubau von Gefängnissen dürften im Grossen Rat nach der teuren Fehlplanung rund um das Jugendheim Prêles aber nicht einfach so durchgewinkt werden.
Auch hat Strafvollzugsexperte Benjamin Brägger in dieser Zeitung kürzlich grundsätzlich davor gewarnt, neue Haftplätze zu bauen, da das schweizweite Angebot eigentlich genüge. Darauf hat das AJV in der kantonalen Justizvollzugsstrategie jedoch eine klare Antwort formuliert: Plätze in den Regionalgefängnissen müsse ohnehin jeder Kanton selber bereitstellen.
Und da andere Kantone mit grossem Bedarf an Plätzen in JVA wie Aargau oder Zürich ihre Planung bereits abgeschlossen hätten, sei Bern auch hier auf sich gestellt: «Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kanton Bern seinen Bedarf im Bereich des geschlossenen Strafvollzugs ausserkantonal abdecken kann.»
Den vollständigen Bericht können Sie hier herunterladen (PDF, 800KB).
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