Auch Privatmails sind am Arbeitsplatz geschützt
Wer am Arbeitsplatz private Mails schreibt, darf von seiner Firma nicht einfach ausspioniert werden. Das hat der Europäische Menschengerichtshof in Strassburg in einem wegweisenden Urteil entschieden.

Der am Dienstag letztinstanzlich entschiedene Fall hatte die Justiz zehn Jahre lang beschäftigt. Im Jahr 2007 war der Rumäne Bogdan Barbulescu von seinem Arbeitgeber in Bukarest entlassen worden, weil er während der Arbeitszeit via «Yahoo Messenger» mit seiner Verlobten und seinem Bruder private Emails unter anderem aus seinem Liebesleben ausgetauscht hatte.
Zur Kundenpflege hatte die Firma Barbulescu zwar selber angehalten, den Messenger-Dienst zu abonnieren; ein Firmenreglement bezeichnete aber jede Benutzung zu privaten Zwecken als «streng verboten». Bei der Kündigung legte die Firma dem Angestellten aber eine 45-seitige Abschrift der Privatgespräche einer einzigen Woche vor.
Der heute 38-jährige Rumäne bestritt darauf vor der Justiz seines Landes die Rechtmässigkeit der Entlassung. Sein Argument: Der Arbeitgeber habe nicht das Recht, private Emails auszuforschen. Die Dienstleistungsfirma tat den Einwand zuerst mit dem schlichten Gegenargument ab, dass Barbulescu gar nicht in seiner Privatsphäre gestört sein konnte, da Privatmails untersagt seien. Im Verlauf des Rechtsstreites zeigte sich aber bald, dass der Fall nicht so einfach lag.
Die rumänische Justiz wies den Kläger ab. Auch der Europäische Gerichtshof wies die Beschwerde im Januar 2016 in einem ersten Urteil ab. Doch nun erhielt der Unterlegene die Unterstützung des Europäischen Gewerkschaftsbundes sowie Frankreichs. Die französische Informatikkomission Cnil empfiehlt nämlich, dass der Arbeitgeber seine Angstellten über die Art der Überwachung des Mailverkehrs nicht nur informieren, sondern auch die Kontrollmethode nennen muss – insbesonere die so geannten Keylooger, die alle Tastaturbewegungen registrieren.
Der Menschengerichtshof zeigte sich darauf bereit, den Fall Barbulescu noch einmal zu prüfen. Und jetzt gibt er dem Kläger recht: Barbulescus Firma habe die Privatsphäre nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht gewahrt. Die Richter in Strassburg lehnen das generelle Argument der rumänischen Regierung ab, das Verbot privater Emails am Arbeitsplatz werde ad absurdum geführt, wenn keine Kontrolle derselben mehr zulässig sei.
Eine Kontrolle ist durchaus erlaubt, aber eben in den Grenzen der Konvention. Konkret sei der Entlassene nicht genügend vorinformiert worden; und die Gründe über die Überwachung seien ihm nicht ausreichend dargelegt worden. Auch sei der Entlassene ungenügend in Kenntnis gesetzt worden, dass er überhaupt überwacht werde.
Arbeitsrechtsexperten meinen, das Umdenken des Menschengerichtshofes seit Prozessbeginn zeige allein schon, wie sehr sich die Verhältnisse geändert in den letzten zehn Jahren hätten. Heute seien die Grenzen zwischen privatem und beruflichem Chatten noch fliessender als zuvor. Und zwar in beide Richtungen – checkten doch viele Angestellte am Abend noch schnell die Büro-Mails.
Auch ob dabei Firmen- oder Privatserver verwendet werden, ist oft nur noch nebensächlich. Das Urteil des Menschengerichtshofes ist deshalb auch als genereller Wink zu verstehen, dass der Arbeitgeber gerade wegen der oft unklaren Verhältnisse angehalten ist, die Rechtslage eindeutig zu klären.
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