Auch in der Stadt Bern wurde Kirchenasyl gewährt
Belp steht nicht allein da: Es gab Ende Jahr einen zweiten Fall von Kirchenasyl, der von der Öffentlichkeit jedoch unbemerkt blieb. Die Kirchgemeinde Frieden beherbergte eine Familie aus Eritrea, diese wurde dennoch ausgeschafft.

Die Wogen gingen hoch, zwei Welten prallten aufeinander, die Ideologen beider Lager hatten Hochkonjunktur. Als letzten Herbst bekannt wurde, dass sich die Kirchgemeinde Belp-Belpberg-Toffen dem Staat in den Weg stellte und eine eritreische Kleinfamilie beherbergte, die nach Italien ausgeschafft werden sollte, liess das fast niemanden kalt.
Die Kirche sei kein rechtsfreier Raum und müsse einen rechtsstaatlich gefällten Ausschaffungsentscheid akzeptieren, polterten die einen. Es sei legitim, dem Rechtsstaat durch das Gewähren von Kirchenasyl seine Grenzen aufzuzeigen, konterten die anderen. Aus Sicht der Kirchgemeinde Belp hat sich das Engagement gelohnt: Die Familie wurde vorerst nicht ausgeschafft, die Frist für eine Rückführung um ein Jahr verlängert.
Nun zeigt sich, dass das Beispiel Belp im Kanton Bern kein Einzelfall ist und Asylsuchende offenbar in zunehmender Zahl Kirchenasyl beantragen. Zur gleichen Zeit, als Pfarrer und Kirchgemeinderat in Belp vor den Augen der Öffentlichkeit für die afrikanische Familie kämpften, ereignete sich in der Stadt Bern Ähnliches. Nur bekam es kaum jemand mit.

Die Kirchgemeinde Frieden gewährte von November bis Dezember während fünf Wochen einer Frau aus Eritrea und ihren drei Kindern in ihren Räumen im Stadtteil Mattenhof-Weissenbühl ebenfalls Kirchenasyl. Es handelte sich dabei jedoch um ein sogenannt stilles Kirchenasyl. Das heisst, die Behörden waren darüber informiert, nicht aber die Öffentlichkeit.
Robert Ruprecht, Präsident der Kirchgemeinde Frieden, bestätigt die Recherchen dieser Zeitung. «Die Familie hatte Angehörige in der Schweiz. Wir wollten ihr die Chance geben, dass abschliessend geklärt wird, ob sie wirklich kein Bleiberecht hat.» Man habe jedoch gewusst, dass die Erfolgsaussichten eher gering seien. An einem frühen Morgen Anfang Dezember sei die Familie denn auch abgeholt und ausgeschafft worden. «Der Kontakt zu den Behörden war konstruktiv und friedlich», betont Ruprecht. Es sei das erste Mal gewesen, dass seine Kirchgemeinde Kirchenasyl gewährt habe.
Hat Worb Nein gesagt?
Mit einem möglichen Kirchenasyl auseinandergesetzt hat sich zuletzt auch die Kirchgemeinde Worb, wie sie vergangene Woche in einer Mitteilung festhielt. Konkreter wurde sie jedoch nicht. Auf Anfrage sagte Kirchgemeinderatspräsident Werner Lüthi, dass es aus dem Umfeld des Durchgangszentrums Enggistein einen konkreten Fall gegeben habe.
Wie die Kirchgemeinde entschieden hat, lässt Lüthi offen. Seine Aussagen lassen sich aber dahingehend interpretieren, dass der Rat das Gesuch um Kirchenasyl abgelehnt hat. «Manchmal kann es auch Schaden anrichten, wenn zu früh Kirchenasyl gewährt wird. Etwa dann, wenn nicht alle rechtlichen Fragen abschliessend geklärt sind», sagt Werner Lüthi.
Im Kanton Bern seien aktuell keine weiteren Fälle von Kirchenasyl bekannt, geht aus einer Antwort der Polizei- und Militärdirektion (POM) hervor.
Kanton ist leicht verstimmt
Das Thema ist bei den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn omnipräsent: Kurz vor Weihnachten publizierten sie ein Communiqué mit dem Titel «Kirchenasyl: Seelsorgerliche Aufgabe und Appell an den Rechtsstaat». Im Versand enthalten waren ein Grundlagenpapier sowie eine dreiseitige Checkliste für die Kirchgemeinden, wann das Gewähren von Kirchenasyl angezeigt sei und wann nicht.
Dabei wird nicht verschwiegen, dass das Beherbergen einer Familie gegen den Willen des Rechtsstaats für eine Kirchgemeinde zur Zerreissprobe werden könnte. Erwähnt werden Faktoren wie Stress, Anfeindungen, Strafandrohungen. Unentbehrlich seien gemäss Checkliste die genaue Überprüfung der Fakten sowie eine gute Zusammenarbeit mit der POM und dem Migrationsdienst des Kantons Bern.
Kirchenasyl soll eine Ausnahme bleiben.
Geradezu angriffig ist der Tonfall zuweilen im Grundlagenpapier. Dort schreiben die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, das moderne Kirchenasyl sei als «Widerstand im Rechtsstaat» und als «ziviler Ungehorsam» zu verstehen. Es sind genau diese Formulierungen, die man beim Kanton – er bezahlt jährlich 61 Millionen Franken für die Löhne der reformierten Pfarrer – nicht gerne hört.
«Für sich genommen sind diese Schlagwörter unpassend und missverständlich», sagt Florian Hirte, stellvertretender Generalsekretär der POM. Erst die Erklärung, dieser Widerstand im Rechtsstaat solle an die Unvollkommenheit jeder rechtlichen Ordnung erinnern, relativiere das Ganze wieder. Trotzdem rät die POM der Landeskirche, «die Verwendung der erwähnten Schlagwörter zu überdenken».
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