Nach Barty, Biles und OsakaAuch der Snooker-Weltmeister sagt: «Ich brauche Hilfe»
Mentale Gesundheit beschäftigt die Sportwelt. Vor der Snooker-WM steht Titelverteidiger Mark Selby im Fokus, der seine psychischen Probleme öffentlich gemacht hat.

In den sozialen Medien setzte der Weltmeister seinen Notruf ab. Mit bemerkenswerter Offenheit machte Snooker-Champion Mark Selby seinen Problemen und seinem Kummer Luft. «Ich möchte mich nur bei all meinen Freunden und meiner Familie dafür entschuldigen, dass ich sie im Stich gelassen habe. Psychisch bin ich derzeit in keiner guten Verfassung», schrieb Selby, der die Snooker-Szene seit Jahren prägt und in aller Öffentlichkeit über einen eigenen «Rückfall» berichtete. Fast flehentlich bat er: «Ich brauche Hilfe.»
So etwas hatte in der Sportwelt lange Seltenheitswert, doch in Turn-Olympiasiegerin Simone Biles oder den Tennisstars Ashleigh Barty und Naomi Osaka gab es in den letzten Monaten weitere prominente Beispiele für den offenen Umgang mit mentalen Problemen. Das Thema bewegt. Und so wird auf dem 38-jährigen Selby, Spitzname «Spassvogel aus Leicester», ein besonderer Fokus liegen, wenn am Samstag in Sheffield die Snooker-WM beginnt. Er geht im traditionsreichen Crucible Theatre als Titelverteidiger an den Start.
Der Experte hat Verständnis
Doch die Voraussetzungen sind nicht die besten angesichts seiner psychischen Sorgen. «Er hat seit Februar nicht mehr gespielt, das ist sowieso keine gute Voraussetzung. Da ist die Frage, ob er sich vernünftig vorbereiten kann. Er hat im Moment ganz andere Probleme. Das sind für ihn wichtigere Probleme, verständlicherweise», sagte der deutsche Eurosport-Experte Rolf Kalb.
Selby, der neben Snooker-Genie Ronnie O'Sullivan und Ex-Primus Judd Trump zu den prominentesten Spielern dieses Sports gehört, hat deutlich offenbart, dass sein eigenes Seelenheil derzeit Vorrang vor den sportlichen Erfolgen hat. Bei all seinen Siegen – darunter immerhin vier WM-Titel – sei es für ihn die grösste Herausforderung gewesen, sich nun zu öffnen und sich einzugestehen, «dass ich Hilfe brauche». Dies jahrelang zu unterdrücken, sei nicht der richtige Weg gewesen.
Der Weltmeister ist ein prominentes Extrembeispiel, bei dem eine extrem harte Kindheit (von der Mutter verlassen, der Vater frühzeitig gestorben) erschwerend dazukommt. Doch psychische Probleme sind im Snooker keine Seltenheit. Auch O'Sullivans Karriere war von Suchtproblemen und Depressionen begleitet. «Es gibt in der zweiten Reihe weitere Spieler, die von mentalen Problemen betroffen sind. Viele sind an die Öffentlichkeit gegangen, aber das hat nicht so hohe Wellen geschlagen wie jetzt bei einem Mark Selby», findet Fachmann Kalb.
Für den TV-Kommentator ist dieses auffällige Phänomen kein Wunder, da es sich zum einen um eine Individualsportart handelt und zum anderen keine grossen Teams mit Betreuern, Trainern oder Beratern vorgesehen sind. «Beim Snooker wird man vielleicht mal von einem Kumpel begleitet, aber das ist in der Regel schon das Ende der Herrlichkeit», sagte Kalb, der nüchtern zusammenfasst: «Es ist ein einsames Leben.»
DPA
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