Attentat von Luxor: Zwischen Versöhnung und Verbitterung
Heute vor zwanzig Jahren verübten Islamisten im Hatschepsut-Tempel bei Luxor ein Massaker. 62 Menschen, davon 36 Schweizer, kamen ums Leben. Ein Überlebender aus Horgen, dessen Frau beim Anschlag getötet wurde, blickt zurück.

Zwanzig Jahre sind vergangen. Zwanzig Jahre, seit nahe des ägyptischen Luxor im Hatschepsut-Tempel 62 Menschen eines gewaltsamen Todes starben. Am 17. November 1997 griffen bewaffnete Anhänger der ägyptischen islamistischen Jamaa al-Islamiya Touristen an mit dem Ziel, so viele wie möglich zu töten und die damalige ägyptische Regierung zu schwächen.
Unter den Touristen befanden sich auch Nanette und Stephan Kopp, ein damals in Adliswil wohnhaftes Ehepaar. Stephan Kopp überlebte, seine 52-jährige Frau kam beim Anschlag ums Leben. Nebst ihrem Ehemann hinterliess sie eine 24- und eine 27-jährige Tochter.
Seit dem Anschlag kehrte Stephan Kopp nur einmal zum Hatschepsut-Tempel zurück. «Das Schweizer Fernsehen bat mich 2011, für einen Dok-Film in Luxor vom Anschlag zu erzählen», sagt Kopp. Er sei zögerlich gegangen, ohne das Fernsehen hätte er diesen Ort kaum mehr aufgesucht.
«Um das Geschehen zu verarbeiten, war es rückblickend aber gut, nochmals da gewesen zu sein.» Das Begehen der Tempelanlage habe er fast als versöhnlich erlebt. Versöhnlich mit dem Ort Hatschepsut-Tempel, der durch das Massaker eine Entweihung erfahren habe.
«Uns wurde gesagt, es werde auf Vögel geschossen»
Seine Erinnerungen sind noch hellwach. «Als wir auf der ersten Rampe rechts in die Tempelanlage hineingingen, hörten wir Schüsse», erzählt Kopp. Der Reiseleiter habe die Leute beruhigen wollen, indem er meinte, dass nur auf Vögel geschossen werde.
«Daraufhin habe ich mich umgedreht. Da sah ich bereits einen bewaffneten Mann, der begann, wahllos auf uns zu schiessen.» Irgendwann habe Ruhe geherrscht. Keine Polizeisirenen, kein Hubschrauberlärm. Nichts.
«Daraufhin habe ich mich umgedreht. Ich sah einen Mann der begann wahllos auf uns zu schiessen.»
Stephan Kopp überlebte den Anschlag mit einer Schussverletzung am Rücken. «Ich warf mich hinter eine Säule und bewegte mich nicht mehr. Das muss mir das Leben gerettet haben.» Später seien Bewohner eines nahe gelegenen Städtchens zu Hilfe gekommen, ihn hätten sie auf einem Brückenwägelchen fortgefahren. «Da instruierte ich Bekannte, die ich auf der Reise kennen gelernt hatte, wie sie mir einen Druckverband anlegen sollen. Das hatte ich im Militär gelernt.»
All jene, die den Anschlag unverletzt überlebten, wurden noch in der folgenden Nacht in die Schweiz geflogen. «Ich blieb, bis ich meine Frau einen Tag später, tot, in einem Spital in Kairo gefunden hatte.» Zwei Tage nach dem Attentat sei er mit den Verletzten in die Schweiz zurückgekehrt.
Die erste Zeit nach seiner Rückkehr habe er einfach funktioniert. «Ich musste lernen, ein neues Leben zu leben. Dazu stürzte ich mich in die Arbeit.» Dabei habe es gut getan, unter die Leute zu kommen und nicht alleine daheim zu grübeln. «Etwa zwei Jahre nach dem Anschlag habe ich dann aber doch Hilfe in Anspruch genommen.»
Enttäuscht über die Schweizer Regierung
Die Jamaa al-Islamiya, die den Anschlag verübte, vertritt islamistisches Gedankengut. Und so hat sich denn auch Stephan Kopp in der Folge des Attentats intensiv mit dem Islam auseinandergesetzt. «Ich musste diesem Thema aber wieder ausweichen, denn es entstanden keine guten Gefühle dabei.» Er selber fühlte sich in jener Zeit durch seine eigene Religion getragen. Ab 1998 wirkte er in der katholischen Kirche als Kirchgemeindepräsident, bis er 2001 aus Adliswil wegzog.
«Ich musste dem Thema Islam ausweichen, es entstanden keine guten Gefühle dabei.»
Blickt Stephan Kopp zurück, ist er bis heute über die Schweizer Regierung enttäuscht. «Diese hat sich gegenüber Ägypten nicht durchgesetzt. Weder wurde das Verbrechen aufgeklärt, noch leistete Ägypten Schadenersatz.» 2000 habe die hiesige Regierung das Luxor-Dossier auf eigene Initiative geschlossen, die Betroffenen hätten aus den Medien davon erfahren.
«Auch gab es keine Stelle, welche die Anliegen der Betroffenen, beispielsweise zu Versicherungs- und Betreuungsfragen, aus den verschiedenen Kantonen koordiniert hat.» Eine Selbstilfegruppe von Überlebenden des Attentats sei nicht gegründet worden. «Aber ich treffe mich noch heute einmal jährlich auf privater Basis mit einer Familie, die das Massaker überlebt hat.»
Seit Luxor wurden viele weitere Anschläge verübt. Erstaunt ist Stephan Kopp darüber nicht. «Ich sagte von Anfang an, dass das wieder passiert.» Die Politik hat ihn enttäuscht. «Die Staatengemeinschaft müsste sich ernsthaft zusammenraufen, um das Problem anzugehen. Stattdessen schauen alle für sich selber und sind auf ihre eigenen Vorteile bedacht.» Reine Lippenbekenntnisse würden nichts nützen, vielmehr müssten die Verantwortlichen in die Pflicht genommen werden.
Heute ist Stephan Kopp 77 Jahre alt. Seit zwanzig Jahren lebt er allein. Wie jedes Jahr findet auch heute in der katholischen Kirche in Adliswil eine Gedenkfeier für seine Frau statt. Stephan Kopp ist nachdenklich, traurig. Das Massaker in Luxor jährt sich heute zum zwanzigsten Mal, doch die Erinnerungen sind wach, auch heute noch.
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