Asylgrund: Überlastetes Migrationsamt
Trotz Scheinehe und Ferien in der Heimat darf ein Tamile wohl in der Schweiz bleiben – die Behörden haben das Verfahren fast zehn Jahre verschleppt.

2008 ist ein damals 28-jähriger Mann aus Sri Lanka in die Schweiz eingereist. Sechs Wochen später hat er eine ebenfalls aus Sri Lanka stammende Schweizerin geheiratet. Durch die Heirat kam er zu einer Aufenthaltsbewilligung. Doch nur Monate später hat der Migrationsdienst des Kantons Bern festgestellt, dass der Mann bereits nicht mehr mit jener Frau zusammenlebt. 2010 gab die Frau den Migrationsbehörden der Stadt Bern denn auch zu Protokoll, dass es sich um eine Scheinehe handle. 2014 wurde die Ehe definitiv geschieden. Zuvor hatte die Frau zwei Kinder geboren, beide von einem anderen Mann.
Bereits 2008 kamen die Behörden zum Schluss, dass der Eheschwindler kein Recht auf eine Aufenthaltsbewilligung mehr hatte. Der Berner Migrationsdienst schrieb ihm, man wolle die Bewilligung nicht verlängern. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) wurde ebenfalls involviert. Es kam zum selben Schluss. Der Mann wehrte sich zwar, indem er nun vorgab, in seiner Heimat gefährdet zu sein. Er sagte, als einstiges Mitglied der Tamil Tigers wäre er bis heute in der Heimat bedroht. Trotzdem schien der Fall klar: Denn die Behörden fanden heraus, dass er zweimal in seiner Heimat in den Ferien war, letztmals 2010. Die Bedrohung dürfte also nicht allzu gross sein.
Klärung dauerte Jahre, das Dossier blieb liegen
Doch heute, fast zehn Jahre später also, lebt der Mann immer noch in der Schweiz, das Verfahren zum Entzug der Aufenthaltsbewilligung ist immer noch nicht abgeschlossen, und die Wegweisungsverfügung ist noch nicht rechtskräftig. Und jetzt urteilt das Bundesverwaltungsgericht: «Das SEM hat den Sachverhalt in zentralen Punkten zu wenig abgeklärt.» Es müsse noch einmal über die Bücher. Dabei weisen die Richter die Migrationsbeamten nun an, zu berücksichtigen, dass der Mann mittlerweile elf Jahre in der Schweiz lebe und er einen «Grossteil der Verfahrensdauer wohl nicht selber zu verantworten hat». Das SEM wird dem Mann also wohl eine Aufenthaltsbewilligung geben müssen, weil eine Rückkehr nach so langer Zeit kaum mehr opportun ist.
Tatsächlich müssen sich die Behörden Fragen gefallen lassen. Es war unbestritten, dass der Mann in der fraglichen Zeit zweimal freiwillig in Sri Lanka war. Trotzdem dauerte die behördliche Klärung zur Zumutbarkeit der Wegweisung Jahre. Als das geklärt war, blieb das Dossier wegen «Arbeitslast und fehlender personeller Ressourcen» beim Migrationsdienst des Kantons Bern lange liegen. Schliesslich brauchte das Bundesverwaltungsgericht weitere drei Jahre, um herauszufinden, dass die Migrationsbehörden den Fall zu wenig abgeklärt haben.
Gründe können Krieg oder eine medizinische Notlage sein
Der Fall des Mannes in Sri Lanka mag ein Extremfall sein. In der Schweiz sind aber Tausende Menschen – meist abgewiesene Asylsuchenende – in einer ähnlichen Situation. Sie haben kein Aufenthaltsrecht, doch die Rückweisung gilt als unzulässig, nicht möglich oder nicht zumutbar. Sie gelten als «vorläufig aufgenommen».
Zwischen 2013 und 2017 erteilte das SEM 32'260 Personen einen solchen Status. Der grösste Teil davon – nämlich 23'000 – bekam den Status, weil die Rückkehr in die Heimat vorübergehend als unzumutbar gilt. Die Gründe dafür können Krieg oder eine medizinische Notlage in der Heimat sein. «Vorläufig aufgenommen» werden auch Menschen, deren Heimatstaat die Rückkehr verweigert. Viele von ihnen stecken in langen Verfahren, die immer wieder reaktiviert werden. Viele dürfen, ähnlich wie wohl der Tamile, schliesslich in der Schweiz bleiben, weil eine Ausschaffung nach so langer Zeit nicht mehr human wäre.
Dieses Problem zeigt sich besonders bei den Eritreern: Das SEM hat bei 250 überprüft, ob ihr Status der vorläufigen Aufnahme noch gerechtfertigt ist. Nur 9 Prozent wurden nach der Prüfung weggewiesen, obwohl viele von ihnen laut SEM den berüchtigten Nationaldienst in Eritrea schon erfüllt haben. Bei zahlreichen Eritreern bleibt eine Wegweisung unzumutbar, weil sie jetzt hier verwurzelt sind, wie ein SEM-Sprecher sagt.
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