Assads Helfer packen bereits die Koffer
Die Anzeichen für eine Auflösung des syrischen Regimes mehren sich. Gestern desertierten ein Kampfpilot und vier Armeeoffiziere. Aber auch im innersten Kreis rumort es offenbar kräftig.

Oberst Hassan Merhi al-Hamade von der syrischen Luftwaffe befand sich mit drei anderen Kampfpiloten auf einem Manöver, als er gestern mit seiner MiG-21-Maschine von der Staffel abdrehte und in Richtung jordanische Grenze davonflog. Später wurde bekannt, dass der Pilot desertiert war und bei der jordanischen Regierung Asyl beantragt hatte. Laut der englischen Zeitung «The Daily Telegraph» handelt es sich bei al-Hamade um den ersten ranghohen Offizier, der desertiert ist. Damit nicht genug: Einen Tag nach der Fahnenflucht des Piloten setzten sich vier hochrangige Offiziere aus der Provinz Aleppo ab. Die vier Brüder stellten in der Nacht auf Freitag eine Videobotschaft ins Internet, in der sie sich von der Armee lossagen.
Laut der Zeitung ist dies jedoch nur die Spitze des Eisberges. Der «Daily Telegraph» will von Mitarbeitern der US-Behörden erfahren haben, dass selbst Bashar al-Assads innerer Kreis Auflösungserscheinungen zeige. Eine Reihe ranghoher Militärfunktionäre habe sich im Geheimen bereits Exitstrategien zurechtgelegt, würde der Druck auf das Regime weiter wachsen. Offenbar hätten diese Funktionäre bereits Verbindung zur Opposition aufgenommen, um mit dieser über eine mögliche Aufnahme zu verhandeln.
Offshore-Konten eingerichtet
Auch Exponenten der syrischen Opposition bestätigten, dass es im inneren Kreis des Präsidenten rumore. So sagte ein Informant gegenüber der Zeitung: «Wir wissen von einer Reihe von Offizieren, die nur auf den richtigen Moment warten, um sich aus dem Staub zu machen.» Ihnen lägen mehrere Namen vor von Leuten im Präsidentenpalast, die das Land wohl bald verlassen würden.
Laut US-Stellen sollen ausserdem mehrere Assad-Vertraute bereits grössere Geldsummen auf Offshore-Konten im Libanon und in China verschoben haben. Zusätzlich seien die betreffenden Personen bereits mit der syrischen Opposition und mit westlichen Regierungen in Kontakt getreten.
Familien als Geiseln
Wie gross die Loyalität der einzelnen Minister und Berater von Präsident Bashar al-Assad tatsächlich noch ist, lässt sich schwer abschätzen. Denn nach Angaben ehemaliger Funktionäre, die sich schon vor Monaten abgesetzt haben, sind Auslandsreisen von Top-Funktionären und ihren Familien nur noch mit Sondergenehmigung von ganz oben gestattet.
Mitglieder der Opposition behaupten gegenüber dem «Daily Telegraph» gar, Assads Regime habe Absprünge von Funktionären bisher nur verhindern können, weil es diese unter Druck setzte. Die Regierung halte die Familien von mehreren Ministern und Diplomaten als Geiseln, um deren Loyalität zu erpressen.
«Wir wollen mehr Ungehorsam sehen»
Washington zeigt sich derweil erfreut über das Desertieren des syrischen Armeepiloten. Man werte dies als Zeichen dafür, dass sich auch innerhalb der syrischen Armee Missmut breitmache. «Wie Sie wissen, rufen wir schon seit längerem syrische Militärs dazu auf, Befehle zu missachten und mit Assads Regime zu brechen», kommentierte Victoria Nuland vom Auswärtigen Amt der USA die Vorkommnisse gegenüber der «Washington Post». «Wir würden gerne mehr Ungehorsam sehen.»
Nur Stunden vor Merhi al-Hamades Fahnenflucht hatte Robert Ford, US-Botschafter für Syrien, über Facebook syrische Sicherheitskräfte dazu aufgefordert, sich der Opposition anzuschliessen.
mit Material von sda/kpn
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