Asozial
Was an langweiligen, nebligen Herbsttagen so wunderbar ist. Und warum es manchmal besser ist, wenn die Nachbarn sozialer sind als man selbst.
Endlich wartete auf mich mal wieder ein asozialer Tag. Ein nebliger Herbsttag nur für mich, ohne Menschenkontakt, langweilig und wunderbar. Ich freute mich so sehr, dass ich früh aufstand, um all die Wichtigkeiten anzupacken, die ich an solchen Tagen jeweils mache: Frühstücken. Am nächsten Buch schreiben, die Kaffeetasse neben mir. Mit Netflix auf dem Hometrainer strampeln. Etwas kochen. Lesen, die Teetasse neben mir. Schlafen.
Ich hatte mich gerade mit der Kaffeetasse eingerichtet, als das Telefon vibrierte. Eine entfernte Verwandte, ich hatte ewig nichts von ihr gehört. Doch an asozialen Tagen bin ich konsequent. Ich starrte das Smartphone an, bis es wieder ruhig war – und versank in meiner Welt.
Kurz vor Netflix meldete eine App die Mail eines Kollegen. Im Betreff stand «dringend». Ich wischte die Nachricht weg und klopfte mir innerlich auf die Schulter.
Die Teetasse stand neben mir, als es an der Wohnungstür klingelte. Ich schlich zum Eingang und spähte aus dem Spion. Vor der Tür standen meine Nachbarn, und sie sahen besorgt aus. Ich rang mit mir. Als ich schliesslich öffnete, fühlte ich mich wie Mutter Teresa.
«Sie haben da etwas vergessen», sagte mein Nachbar und zeigte aufs Schlüsselloch. Dort steckte mein Wohnungsschlüssel, für jeden sicht- und greifbar. Zum Glück waren meine Nachbarn an diesem Tag nicht so asozial wie ich.
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