Arzt verrechnete erfundene Leistungen
Hier ein Zuschlag, dort eine Vorbesprechung, da eine Instruktion: Derlei Leistungen verrechnete ein Arzt aus der Region Bern der Krankenkasse Visana hundertfach. Und betrog sie damit gewerbsmässig um Zehntausende Franken.

Dreist. Was der Arzt aus einer Berner Vorortsgemeinde rund zwei Jahre lang trieb, muss so bezeichnet werden. Der Mann verrechnete der Krankenkasse Hunderte Leistungen, die er gar nie vorgenommen hatte. Etwa verlangte er Zuschläge für hausärztliche Leistungen in der Arztpraxis, obwohl die Patienten gar nie in seiner Praxis waren, sondern von ihm in ihrem Pflegeheim in einem anderen Berner Vorort aufgesucht wurden.
Einmal dort, ging es weiter mit den Betrügereien. Angeblich instruierte er die Patientinnen und Patienten bei Selbstmessungen. Ganze 322-mal hat er diesen Posten verrechnet. Nur: Die Patienten in dem Heim haben selber keine Messungen durchgeführt.
Oder er verrechnete die Vorbesprechungen mit Patienten, denen ein diagnostischer oder therapeutischer Eingriff bevorstand. 654-mal klingelte es in der Kasse. Aber auch hier: Fast nie stand so ein Eingriff bevor, geschweige denn wurde so ein Eingriff durchgeführt.
Ein Hausarzt musste 120'000 Franken zurückzahlen
Das Nachsehen hatte die Krankenkasse Visana. Über 35 000 Franken hatte sich der Arzt auf diese Weise ergaunert, ein lukratives Nebeneinkommen von 1500 Franken pro Monat. Bis man ihm auf die Schliche kam.
Nun ist er verurteilt worden, wie aus einem rechtskräftigen Strafbefehl hervorgeht, der dieser Zeitung vorliegt. Schuldig gesprochen wurde er wegen gewerbsmässigen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage sowie wegen mehrfacher Urkundenfälschung.
Er ist nicht der einzige Mediziner, der in jüngster Zeit unangenehm auffiel. Kürzlich wurde ein Hausarzt aus der Berner Agglomeration vom Verwaltungsgericht dazu verdonnert, den Krankenkassen rund 120'000 Franken zurückzuzahlen. Er hatte seine Patienten zu teuer behandelt und den Krankenkassen zu hohe Rechnungen gestellt. In Anbetracht stetig steigender Gesundheitskosten drängt sich der Gedanke auf, wie viele Ärztinnen und Ärzte als solche Kostentreiber fungieren, indem sie bei den Abrechnungen schummeln.
Der Krankenkassenverband Santésuisse führt dazu laufend sogenannte Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch. Die jüngsten Zahlen – sie stammen aus dem Jahr 2014 – geben aber Entwarnung. Von mehr als 20'000 registrierten Ärzten wurde gegen 75 ein Verfahren eingeleitet, was lediglich 0,3 Prozent entspricht. Die Zahlen waren in den Vorjahren nur unwesentlich anders.
Bei 30 Prozent über dem Schnitt insistiert Santésuisse
Die Alarmglocken läuten bei Santésuisse, wenn ein Arzt für seine Leistungen mehr als 30 Prozent mehr als den üblichen Durchschnitt berechnet. Mediziner, die für ihre Region und Spezialität solche überdurchschnittlichen Kosten ausweisen, werden kontaktiert und müssen diese begründen.
Rückzahlungen sind laut dem Verband nicht das Ziel dieser Prüfungen, können aber eine Konsequenz sein. Etwa wenn der Arzt seine zu hohen Kosten nicht rechtfertigen kann oder will und wenn er nicht genügend unternimmt, um diese Kosten wieder zu reduzieren. Santésuisse schätzt, dass sich mit ihrem System jährlich rund 25 Millionen Franken Prämiengelder einsparen lassen.
Das tönt gut. Die Kontrolle nützt aber nichts gegen jene Ärzte, die just unter den auffälligen 30 Prozent bleiben, aber zu ihrem eigenen Vorteil wesentlich mehr berechnen, als ihnen zusteht. Sie bleiben unter dem Radar, es dürfte entsprechend eine Dunkelziffer solch mauschelnder Mediziner existieren. Allerdings, so Santésuisse, ist das Berechnen des Durchschnitts gar nicht so einfach.
Die Kosten schwanken von Jahr zu Jahr; die Zahlen werden aus nachvollziehbaren Gründen nicht veröffentlicht. Ausserdem sind auch die Krankenkassen selber in der Pflicht, die Leistungsabrechnungen zu kontrollieren. Santésuisse schätzt, dass mit diesen Kontrollen pro Jahr zwischen 1 und 2 Milliarden Franken an Kosten eingespart werden können. Eine Menge Geld.
Verliert der verurteilte Arzt seine Zulassung?
Eine Stange Geld musste auch der verurteilte Arzt in die Hand nehmen. 5000 Franken für Busse und Gebühren, dazu 4500 Franken Parteientschädigung für die Visana. Die 18'000 Franken teure Geldstrafe wurde mit einer Probezeit von zwei Jahren aufgeschoben. Die laufende Zivilklage dürfte aber nochmals richtig teuer werden. Und seine Zulassung ist der Arzt möglicherweise auch los.
Dem Berner Kantonsarztamt ist das Strafverfahren bekannt, wie es auf Anfrage heisst. Das Amt prüft derzeit, ob die Verfehlungen zu einem Entzug der Berufsausübungsbewilligung führen werden.
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