Als er 2004 erstmals seit Jahren wieder einen längeren Text publizierte über einen Kleinkriminellen für das «NZZ Folio», wurde dieser gleich für den renommierten deutschen Henri-Nannen-Preis nominiert.
Erfolgreicher Drehbuchautor
Andreas Dietrich sei einer, dem immer der absolut beste Titel einfalle, scharf, direkt, lebendig. Ihm gehe aber mitunter auch die Geduld ab, wenn jemand nicht mit ihm mithalten könne, sagt ein langjähriger Arbeitskollege. Dietrichs seltene, polyvalente Brillanz als Texter, Konzepter und Produzent trieb ihn etwa zur «Weltwoche», deren heutige Erscheinungsform als Wochenmagazin er miterfand, aber auch zu Langtextformaten wie dem «Magazin» und «NZZ Folio».
Zwischendurch reüssierte er sogar als Co-Drehbuchautor. In Zusammenarbeit mit den Berner Regisseuren Peter Guyer und Norbert Wiedmer realisierte er den Film «Sounds and Silence» über den Musikproduzenten Manfred Eicher, der 2009 den Berner Filmpreis gewann.
Boulevard schon am «Bund»
Man kann sich fragen, was der kreative Ausdauerathlet Dietrich, einst ein junger, aufbegehrender Linker, im kurzatmigen, mitunter kleinbürgerlichen Boulevard des «Blicks» verloren hat.
«Das hat schon seine innere Logik», sagt er selber. Im Prinzip habe er schon am «Bund» Boulevard gemacht, denn er verstehe das Boulevardmetier in erster Linie als Anspruch, nicht elitär zu sein. «Ich bin Sprachhandwerker. Ich konzentriere mich darauf, das richtige Wort zu finden, egal, ob die Texte kurz oder lang sind. Ich will, dass alle verstehen, was ich schreibe», sagt Dietrich.
Sogar der türkische Präsident Erdogan, der sich kürzlich öffentlich über den «Blick» aufregte. Dietrich hatte zusammen mit dem Verantwortlichen der «Blick»-Gruppe, Christian Dorer, auf der Titelseite einen zweisprachigen offenen Brief an die Türken in der Schweiz geschrieben.
«Der AufregerReitschule dient allen in Bern. Ein Schulbeispiel für politische Problembewirtschaftung.»Andreas Dietrich
An dieser Ambition zum journalistischen Präzisionshandwerker habe sich gar nichts geändert, wenn er jetzt auf dem per se wackligen Sitz des «Blick»-Chefredaktors sitze. Und er versteckt nicht, dass ihm am Boulevard auch die Tatsache gefalle, etwas bewirken zu können. Was der «Blick» schreibe, bleibe oft nicht folgenlos.
Wenn «Bern brennt», rückt Andreas Dietrich die Reitschule auf die «Blick»-Titelseite. «Die Reitschule begleitet mich, seit ich schreibe», sagt er. Es sei für ihn schlicht unglaublich, dass die Berner Politiker diese Problemzone nicht in den Griff kriegten.
Ein Grund sei wohl der, dass die Söhne und Töchter des heutigen, rot-grünen Berner Establishments vor der Reitschule verkehrten. Aber die Reitschule bleibe auch eines der ganz wenigen Dossiers, mit dem die Opposition die linke Mehrheit piesacken könne. «Der Aufreger Reitschule dient allen in Bern», sagt Dietrich, «ein Schulbeispiel für politische Problembewirtschaftung.» Sitzt.
Ein Mann, ein Wort.