Angreifer hatte ein Papier mit IS-Fahne dabei
Ein Jahr nach Charlie Hebdo: Ein Mann wollte mit einem Messer in eine Pariser Polizeibehörde eindringen. Beamte erschossen den Marokkaner. Er hatte ein Bekennerschreiben des IS dabei.
Der Zeitpunkt lässt den Atem stocken: Mitten in der Gedenkwoche für die Terroropfer vom vergangenen Januar sorgt eine neue Attacke für Alarm in Paris. Beim Angreifer findet sich das Symbol der Terrormiliz IS. Es ist fast auf die Minute genau ein Jahr nach dem blutigen Anschlag auf «Charlie Hebdo», als sich der Mann dem Kommissariat im Pariser Norden nähert. Mit einem Schlachterbeil in der Hand ruft er «Allah ist gross» - Polizisten greifen daraufhin zur Waffe und erschiessen ihn.
Polizisten versammeln sich vor dem Polizeirevier
Der Angreifer trägt etwas bei sich, das zunächst nach einem Sprengstoffgürtel aussieht. Spätestens damit schrillen im Terror-geplagten Paris alle Alarmglocken. Bombenexperten rücken an, mit gezogener Pistole riegeln Polizisten den Tatort ab, der Innenminister eilt herbei.
Die Schüler zweier benachbarter Schulen werden vorsichtshalber im Gebäude eingesperrt, Ladenbesitzer lassen ihre Rollladen herunter. Medien zeigen Amateuraufnahmen, auf denen sich ein Sprengstoff-Roboter der am Boden liegenden Leiche nähert. Kurz darauf gibt es Entwarnung: Der Mann hatte keine Bombe bei sich, es war eine Attrappe.
Der Angreifer auf ein Pariser Polizeirevier hatte ein auf Arabisch verfasstes Bekennerschreiben mit einer Fahne der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bei sich. Das teilte die Pariser Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit und leitete Terror-Ermittlungen ein. Bei dem Mann sei ein Blatt Papier gefunden worden, auf dem sich «die IS-Fahne und ein handschriftliches, eindeutiges Bekennerschreiben in arabischer Sprache» befunden habe. Genauere Angaben zum Inhalt dieses Schreibens machte die Staatsanwaltschaft nicht.
Bei der Identität des getöteten Angreifers von Paris handelt es sich nach vorläufigen Ermittlungserkenntnissen um einen 20-jährigen Marokkaner. Die Fingerabdrücke des Erschossenen stimmten mit denen überein, die der aus Casablanca stammende Ali S. 2013 nach einem Raubüberfall in der südfranzösischen Region Var abgegeben habe, heisst es aus Ermittlerkreisen. Allerdings gebe es noch Zweifel, weil der Mann älter aussehe als 20. Ermittelt wird nun wegen Mordversuchs gegen Polizisten im Zusammenhang mit einem Terrorvorhaben.
Ewige Treue geschworen
Der Angreifer war den französischen Behörden wegen eines Diebstahls bekannt. Der Mann sei 2013 im Süden Frankreichs verurteilt worden, verlautete am Donnerstagabend aus Ermittlerkreisen in Paris. Der Abgleich der Fingerabdrücke der Leiche mit der Datenbank habe ergeben, dass es sich um den Dieb handelte, der sich damals als einen 1995 in Marokko geborenen Obdachlosen bezeichnet hatte.
Den Ermittlern zufolge soll er dem Chef der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Baghdadi, die Treue geschworen haben. Dies gehe aus dem bei dem Toten gefundenen Bekennerschreiben hervor. Darin habe er seine geplante Tat als Rache für «die Angriffe in Syrien» bezeichnet. Frankreich fliegt in Syrien im Rahmen der US-geführten Militärkoalition Luftangriffe gegen die IS-Miliz.
Dieses Messer soll der Mann bei sich getragen haben
Sprengstoffexperten der Polizei im Einsatz
Der Vorfall geschah in einem Problemviertel im nördlichen 18. Pariser Bezirk. Beamte erschossen den Mann, als er versuchte, am Eingang des Kommissariats einen Beamten zu attackieren, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Ein Zeuge sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe «zwei oder drei Schüsse» gehört.
Die Gefahr terroristischer Anschläge ist in der französischen Hauptstadt allgegenwärtig, nach dem Horror-Jahr 2015 liegen die Nerven blank. In dieser Woche ist das Thema noch einmal besonders präsent. Die Zeitungen sind voll mit Sonderseiten, die minutiös den islamistischen Anschlag auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo» am 7. Januar vor einem Jahr schildern.
Nahezu täglich gibt es Gedenkveranstaltungen, Plaketten werden enthüllt, die Staatsspitze beschwört die Einheit der Nation. Am Donnerstagvormittag lobt Präsident François Hollande bei seinen Neujahrswünschen an die Sicherheitskräfte noch deren Einsatz und erinnert an die drei Beamten, die bei der Terrorserie im Januar 2015 getötet wurden. «Sie sind gestorben, damit wir in Freiheit leben können», betont er - und wirbt erneut für geplante Gesetzesverschärfungen.
Ob die kurz darauf bekanntgewordene Attacke in einem quirligen Multikulti-Viertel unweit des Touristen-Magneten Montmartre ein neuer vereitelter Anschlag war, ist noch nicht abschliessend geklärt. Jedenfalls hatte der Mann ein Papier mit der Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat bei sich. Für die Behörden genug Indizien, um Ermittlungen wegen Terrorismus einzuleiten - noch ein Fall für die Pariser Anti-Terror-Staatsanwaltschaft.
«Angst rauszugehen»
Die Identität des Angreifers ist noch nicht geklärt, die Hintergründe sind offen, und auch zum Ablauf gibt es widersprüchliche Informationen. Augenzeugen berichten französischen Medien von drei oder vier Schüssen. «Wir haben uns gefragt, was da los ist», erzählt Olivier Sinson von einem Buchladen ganz in der Nähe des Tatortes der Nachrichtenagentur dpa. «Dann mussten die Kunden gleich ins Büro nach hinten gebracht werden, und wir mussten sofort schliessen.»
Doch dem Land wird keine zwei Monate nach der blutigen Mordserie mit 130 Toten noch einmal vor Augen geführt, dass die Gefahr nicht abgenommen hat. Eine Passantin sagt: «Man hat Angst, im eigenen Land zu leben und rauszugehen.»
AFP/dia
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